Politik

Diplomatie

oder: Die Kunst, mit vielen Worten nichts zu erreichen

In der Weltpolitik geht es drunter und drüber. Wir brauchen nicht allzuweit zu schauen, bereits auf dem Balkan haben wir das erste Krisengebiet, auf dem die Diplomatie schon seit Jahren mit großem Erfolg - versagt.
Uns allen sind noch die Bilder der Völkervertreibung und des Völkermordes in Bosnien-Herzegowina vor Augen. Nach monatelangem Wüten aller Völkergruppen, nach Konzentrationslagern, Vergewaltigungen, Massenerschießungen und Vertreibungen, jeden Abend nahezu "live" in den Nachrichtensendungen, da tönte, wie gesagt nach Monaten, ein kräftiges "sowohl als auch" von der Diplomatie der EU, man könne nicht weiter ignorieren, aber bitte, was nun?

Der senile Ex-Diktator

Reden alleine half offensichtlich nicht, doch Drohungen ließ der diplomatische Komment nicht zu. Kurz und gut bzw. schlecht, uns allen ist diese leidige Geschichte noch gut bekannt; man entschloß sich letztendlich, natürlich mit diplomatischen Bauchschmerzen, die NATO zum Eingreifen aufzufordern.
Dieses oben geschilderte "sowohl als auch", als diplomatischer Eiertanz um den heißen Brei bekannt, wiederholt sich zur Zeit in London um den senilen Ex - Diktator Pinochet.
Der ehemalige Staatschef Chiles befindet sich zur Zeit zu einer Operation in der britischen Hauptstadt. Aufgrund eines Haftbefehls aus Spanien setzte Interpol Pinochet im Krankenhaus fest, bis der oberste britische Gerichtshof die Festnahme aufhob und in eine Art Hausarrest umwandelte, bis alle diplomatischen Fragen betreffend der Auslieferung an Spanien geklärt wären. Inzwischen haben auch Belgien, Frankreich und die Schweiz ein Auslieferungsersuchen an die Regierung Blair gesandt.
Fraglich bleibt aber, ob sich London zu einer Auslieferung durchringen kann. Die handfesten Interessen Großbritanniens in Südamerika wären durch diese Auslieferung gefährdet. Auch schulde Großbritannien Augusto Pinochet Dank für seine Unterstützung während der Rückeroberung der Falklandinseln, meint jedenfalls die ehemalige Premierministerin Thatcher.
Die Diplomaten haben schon wieder Bauchschmerzen, einen ehemaligen Staatschef auszuliefern, und die Chilenen sehen Pinochet als Diplomaten an, bei dem sich eine Auslieferung verbiete.

Keine diplomatische Immunität

Faktisch würde Augusto Pinochet diplomatische Immunität nach der Wiener Konvention von 1961 über diplomatische Beziehungen genießen , wenn er:
- als Diplomat in Großbritannien akkreditiert wäre, was er nicht ist;
- sich in offizieller Mission in Großbritannien aufhält, was ebenfalls nicht zutrifft, da diese Immunität nur für Minister und Regierungschefs bei Staatsbesuchen gilt;
- rückwirkenden Schutz genießen würde, welcher sich aber nur auf Handlungen von Staatsoberhäuptern erstreckt, die sie im Rahmen ihres Amtes ausgeübt haben. Zu diesen als Staatszielen anerkannten Handlungen gehören aber eindeutig nicht die Verletzung von Menschenrechten oder die Korruption.
Es liegen also rechtlich keine diplomatischen Gründe vor, die gegen eine Auslieferung Pinochets sprechen. Dieser General, der am 11.09.1973 mit Hilfe eines Putsches an die Macht kam, hat während seiner Amtszeit die Menschenrechte mit Füßen getreten, Tausende Chilenen und viele Ausländer verschwanden spurlos. Folterungen politischer Gegner waren an der Tagesordnung.
Nun aus humanitären Gründen auf die Strafverfolgung zu verzichten wäre ein Schlag ins Gesicht all derer, die Angehörige oder Freunde während der Gewaltherrschaft Pinochets verloren haben. Ein Schweizer Staatsanwalt brachte es ziemlich genau auf den Punkt: Wenn Hitler den Krieg überlebt hätte, hätte man ihm vermutlich auch keinen Prozeß machen können als ehemaligem Staatschef.

K.R.