Knowhow

Die Rache der Lochkarten

Das Jahr-2000-Problem kann ungeahnte Folgen haben

In knapp 14 Monaten ist es soweit. Unsere Generation hat die Chance, einen Jahrtausendwechsel mitzuerleben.

Ein Grund zum Feiern?

Viele Menschen besitzen Karten für Silvesterpartys, die schon seit Jahren ausgebucht sind. Andere planen Urlaube auf Pazifikinseln, die in der Nähe der Datumsgrenze liegen. Dort kann man den Jahrtausendwechsel in zwei aufeinanderfolgenden Nächten feiern.
Doch wer danach den Rückflug antritt, ist zahlreichen Steuerungen und Computerprogrammen ausgeliefert, von denen nicht sicher ist, daß sie den Jahrtausendwechsel richtig verarbeiten. Viele elektronische Kalender, wie sie in Computern und Steuerungen vorhanden sind, verarbeiten die Jahreszahl nur zweistellig, d.h. ohne die führende 19.
Am 31.12.1999 springen manche dieser Kalender ins Jahr 1900, andere auf den 1.1.1980. Programme liefern bei Berechnungen von Jahresdifferenzen falsche Ergebnisse oder stürzen einfach ab.

Verheerende Auswirkungen?

Dies kann verheerende Auswirkungen auf fast alle Bereiche der Technik und des Wirtschaftslebens haben.

Andersen Consulting sieht wahre Horror-Szenarien auf einige Branchen zukommen:

Kreditinstitute: Backup-Systeme überspielen scheinbar "alte" Dateien vom 01.01.00. Zinsen werden falsch (für 100 Jahre) berechnet.

Gesundheitswesen: Der Rechner erhält das Signal, daß das Wartungsintervall um 100 Jahre überschritten ist und schaltet wichtige (lebenserhaltende) Systeme ab.

Telekommunikation: Ein über Silvester 2000 hinausgehendes Telefonat wird mit einer Gesprächsdauer von 100 Jahren berechnet.

Transport: Zeitgesteuerte Inspektionssysteme schalten z.B. Aufzüge ab, da auch hier das Wartungsintervall scheinbar um 100 Jahre überschritten wurde.

Versicherungen: Die Kalkulationen kommen durcheinander. Rabatte und Provisionen werden falsch berechnet.

Produktion: Computergesteuerte Lager werden entleert, da das Verfallsdatum überschritten wurde."

Warum wurde nicht langfristig vorgesorgt?

In den 60er Jahren war Rechengeschwindigkeit und Speicherplatz knapp und teuer. Außerdem erfolgte die Eingabe in Computer über Lochkarten, die maximal 80stellige Eingaben zuließen. Jede nicht unbedingt nötige Information wurde eingespart.
So wurde es nicht nur im Großrechnerbereich, sondern auch in Bereichen der PC-Software weltweit zum Standard, das Jahr nur mit den letzten zwei Stellen zu speichern. Kein Programmierer rechnete damit, daß sein Programm noch über 30 Jahre später im Einsatz sein würde.

Das Datumsproblem kann sich auch noch an weiteren Terminen bemerkbar machen:

* Krankenkassen speicherten die Geburtsdaten ihrer Mitglieder nur sechsstellig, d.h. mit zweistelligem Jahr ab. So erhielten bereits vor einigen Jahren Mitglieder zu ihrem 100. Geburtstag eine solche Einladung: "Liebe kleine Magdalena, bitte komm in den nächsten Tagen mit Deiner Mutti zur Erstuntersuchung ..."

* Der 9. September 1999 ist ein besonderer Tag des Datumsproblems: In vielen Programmen wurde das Datumsfeld auf "9.9.99" gesetzt, um den z. B. den Status "unbefristet" zu setzen. Für manche Betriebssysteme bedeutet 9.9.99, 9.09 Uhr das Signal zum Neustart! Manche Rechner können an diesem Tag also unverrichteter Dinge einfach rebooten.

* Das Jahr 2000 ist - im Gegensatz zu 1900 - ein Schaltjahr. Computer, die ins Jahr 1900 zurückgesprungen sind, berücksichtigen bei Berechnungen von Tagesdifferenzen nicht den 29. Februar. Außerdem kannten viele Programmierer die Schaltjahrregel nicht genau. Daß die Jahre 0 jedes Jahrhunderts keine Schaltjahre sind, wurde durchgehend berücksichtigt, nicht immer jedoch die Regel, daß alle durch 400 teilbaren Jahre trotzdem den 29. Februar kennen.

Was kann Otto Normalverbraucher tun?

Im heutigen Durchschnittshaushalt kann nicht nur ein betagter PC seinen Dienst versagen, sondern auch Videorecorder, Kameras mit Datum- und Uhrzeiteinblendung, Faxgeräte ... ja, eigentlich jedes Gerät mit datumsrelevanten Funktionen. Vorbeugend kann folgendes unternommen werden:

* Bei PC im BIOS prüfen, auf welche Jahre sich der Kalender einstellen läßt. Neue BIOSe kennen in der Regel die Jahre von 1983 - 2099. Danach springen sie wieder auf 1983. Ältere BIOSe springen schon nach 1999 auf 1983. Diese müssen, wie es so schön im Neuhochdeutsch heißt, upgedatet werden. Diese Updates gibt's jedoch nicht immer umsonst. Für alte PC bedeutet dies nun das endgültige Aus, da für sie keine Unterstützung mehr gibt. Aber auch bei neuerem BIOS sollte geprüft werden, ob es den 29. Februar 2000 kennnt. Auch sollte man "aus Jux und Dollerei" mal das Gerät auf die Silvesternacht 1999 vordatieren und den korrekten Übergang ins neue Jahrtausend beobachten.

* Die eben beschriebenen Tests auf ähnliche Weise mit dem Videorecorder, Faxgerät etc. durchführen. Es gibt auch Geräte, die in das Jahr 2000 zwar richtig übergehen, aber bei der Datumseinstellung als Jahr nur 90-99 akzeptieren!

* - Kein Gerät, schon gar kein Gebrauchtgerät kaufen, bei dem man sich über die Funktionsweise des Kalenders nicht im Klaren ist.

N.L.