Satire

Grün ist der Wechsel

Wie alter und neuer Außenminister, selbstlos unterstützt von zahlreichen Beamten des Auswärtigen Amtes und der Sicherheitsorgane, reibungslos die Übergabe der Macht organisieren.

Joschka Fischer läßt sich mit einer gepanzerten Rikscha zu seinem zukünftigen Amtssitz, dem Auswärtigen Amt, fahren. Der Pförtner begutachtet mißtrauisch das Gefährt.

Pförtner (im breitesten rheinischen Dialiekt): Junger Mann, machense 'nen Radtoürchen oder wat soll dat?

Fischer (läßt die Trennscheibe herunter): Nun machen Sie schon die Schranke hoch. Ich will zu Kinkel.

Pförtner: Dat kann ja jeder sagen. Wer sinn Se überhaupt? Die indische Botschaft is in Jodesberch! (Trollt sich zurück in sein Pförtnerhäuschen und greift gelangweilt zur Bild-Zeitung, wobei er leise über wahrscheinliche Benzinpreiserhöhungen flucht)

Fischer (macht im Kopf einen weiteren Strich auf der langen Liste zu entlassender Mitarbeiter, steigt aus und bellt hinterher): He, Sie! Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?

Pförtner (durch 29 Jahre FDP-Außenminister abgestumpft, blickt in das faltige, ausgezehrte Gesicht): Nee. Oder doch? Wartense ... (denkt nach, beginnt plötzlich zu strahlen, greift zum Telefonhörer und ruft Kinkels persönlichen Referenten an) Hallo? Ja, hier steht einer und will zum Chef ... ja, ich kenne ihn aus dem Fernsehen ... dieser holländische Typ aus "Der Reis ist heiß" ... der auch immer Werbung für Slimfast macht ... scheint endlich gewirkt zu haben ... nur Haut und Knochen ... ja, nur der holländische Akzent ist auf einmal weg ... ja okay, ich frage vielleicht doch besser beim BKA nach ...

Zwei Stunden später. Das BKA weiß immer noch nicht, ob Harry Wijnfurt eine Gefahr darstellt. Die Rikscha steht immer noch vor der geschlossenen Schranke. Erste Spinnweben sind sichtbar. Der Pförtner liest inzwischen Expreß und freut sich seines kürzlich erworbenen Beamtenstatus (drei Tage nach der Wahl). Fischer reißt der Geduldsfaden und mischt sich unter eine ausländische Touristengruppe, die das Außenministerium besichtigt. Endlich ist er drin.

Führer (zeigt auf eine Gemäldegalerie der bisherigen Amtsleiter von Adenauer bis Kinkel): Hier, meine Damen und Herren, ist sozusagen unser Ahnensaal. Eine Reihe verdienter und vor allem halbwegs kompetenter Außenminister. (wehmütig) Aber jede Ära geht einmal zu Ende. Unser künftiger Chef ist Ex-Steine-Schmeißer und Taxifahrer. (Mustert seine weitgehend amerikanische Gäste, anbiedernd scherzend) Aber Sie sind mit Ihrem Billyboy ja auch ziemlich gestraft.

Fischer (macht im Kopf einen weiteren Strich auf der langen Liste zu entlassender Mitarbeiter)

Führer: Wir nähern uns dem Ministertrakt. (Im Hintergrund feucht-fröhliches Gelärme) Eine gute alte Tradition in Bonn: Wenn das Außenministerium in feindliche Hand gerät, wird der letzte Rest des Repräsentationsfonds versoffen.

Fischer (neugierig): Ist das nicht Verschwendung von Steuergeldern, und das angesichts der Ausplünderung der sozial Schwächsten durch die letzte Regierung?

Um ihn herum wird alles still.

Führer (gefährlich leise): Ach, Sie sind also Amerikaner aus Boise, Idaho? Sie hören sich aber eher an wie einer dieser grünen Spinner, die jetzt überall mitreden wollen! (drückt roten Alarmknopf an der Wand. Sofort wimmelt es von bewaffneten Beamten...)

Drei Stunden später im Sicherheitstrakt. Der noch amtierende Außenminister Klaus Kinkel wird hineingeführt.

Kinkel: Warum erfahre ich erst jetzt davon, daß er hier sitzt?

BKA-Beamter (leicht verlegen): Zuerst waren wir uns nicht sicher, daß es sich um Joschka Fischer handelt. Dann haben wir festgestellt, daß er es wirklich ist.

Kinkel: Und warum haben Sie ihn nicht zu mir geschickt?

BKA-Beamter: Tja, wir haben da noch ein paar Sachen gegen Herrn Fischer vorliegen: Sachbeschädigung ... Widerstand gegen die Staatsgewalt ... Ungeklärte Verstrickung in die Ermordung des hessischen Wirtschaftsministers Karry ... Und schließlich Einschleichung in eine amerikanische Touristengruppe zwecks Infiltration des Außenministeriums, falls Sie Anzeige erstatten wollen ...

Kinkel (überlegt drei, vier Sekunden): Nein, das macht sich nicht gut, wenn ein Vorbestrafter Außenminister wird. (stutzt) Obwohl Graf Lambsdorff das vielleicht anders sieht. Überlassen Sie ihn mir, damit wir endlich das Übergabegespräch über die Bühne bringen können.

Beide fahren schweigsam in einem Aufzug in das Büro des Außenministers.

Kinkel: Den Bismarck und den Genscher habe ich schon abgehängt. Auch meine Sammlung diverser Bademäntel aus verschiedenen internationalen Hotels habe ich weggeschafft. (Im Hintergrund erreicht das feucht-fröhliche Gelage seinen Höhepunkt)

Fischer: Da werde ich wohl aufräumen müssen.

Kinkel: Das macht unsere beamtete Putzfrau von Wisch, natürlich FDP-Wählerin. Ihr Arbeitsvertrag ist wasserdicht ...

Fischer: Das sollte er bei einer Putzfrau auch sein ...

Kinkel: Im übrigen feiern die Jungs ihren vorzeitigen Ruhestand. (mehrere Flaschen zerschellen an der Wand)

Fischer (noch säuerlich als sonst): Lassen Sie uns doch endlich mal Nägel mit Köpfen machen. Ich brauche ein paar handfeste Ratschläge für die ersten hundert Tage. Schließlich geht es unabhängig von Parteipolitik um das Wohl unseres gemeinsamen Vaterlandes.

Kinkel (hebt die Augenbrauen): Also wie Sie das bringen - das wirkt fast echt. (schelmisch) Wohl einen kleinen Benimm-Kurs absolviert? - Aber wie Sie wollen. Wir haben Ihnen ein paar kleine Notizen für jedes Land, für jeden Außenminister und jeden Staatschef gemacht. (zaubert einen dicke weiße Mappe mit der Aufschrift "Fischers Weltalmanach" hervor) Zum Beispiel hier: Nordkorea. Nie nach dem kalten Buffet fragen! Wenn Sie nicht mehr weiterwissen, loben Sie Kim. So heißen fast alle Koreaner. Als Gastgeschenk eignen sich hervorragend Automobile, als Überlebensration ...

Fischer: Brauche ich nicht. Ich bin abgehärtet. (Nimmt ihm den Aktenordner aus der Hand, blättert) Interessant: "USA: Achten Sie auf die richtige Kleidung!" Was meinen Sie denn damit?

Kinkel: Na ja, sehe Sie sich doch an! Jackett auf T-Shirt war zwar mal sehr modern, aber selbst Don Johnson ist in die Jahre gekommen. Sagen Sie ihrer Lebensabschnittspartnerin, sie soll ihnen ein paar Krawatten aussuchen und Ihren Anzug aufbügeln. Und passen Sie auf, welche Urlaubsphotos Sie in den USA schießen. Die CIA traut ihnen wegen Ihrer Vergangenheit immer noch nicht. Hüten Sie sich bei Einladungen von Bill Clinton vor "intimer Atmosphäre". Und erwähnen Sie in den USA immer, daß Sie mit dem Iran nicht gut auskommen.

Fischer: Und im Iran?

Kinkel (ungeduldig): Das gleiche: Daß Sie mit den USA nicht gut auskommen. Das nimmt man Ihnen bestimmt ab. Schreiben Sie aber keine Romane über den Islam. Sonst muß das BKA Sie noch bewachen, wenn Sie sich mit Trittin in einigen Jahrzehnten im ökologisch optimierten Seniorenstift immer noch über grüne Grundsatzpositionen streiten.

Telefon (klingelt)

Kinkel (gönnerhaft): Ich schalte auf Lautsprecher, damit Sie mithören können. (tut es, hebt ab; tiefster Wiener Schmäh durchflutet den Raum)

Telefon: Klaus? Bist's doa? Ich bin's, der Schüssel Wolfgang aus Wien. Wollt dir alles Gute wünschen, bevor der grüne Chaot und Hobbydiplomat bei Euch die Karre vor die Wand fährt.

Kinkel (versucht krampfhaft den Hörer zuzuhalten, Lautsprecher plärrt weiter)

Telefon: Was hältst Du davon, wenn wir aufgrund Eurer instabilen politischen Lage auch im nächsten halben Joahr die EU-Präsidentschaft behoalten? Dann wären wir vor dem Dilettantismus Eures neuen Außenministers sicher ...

Fischer (empört): Hey, Schluchtenschei---

Kinkel (beendet abrupt das Gespräch)

Wieder zwei Stunden später. Joschka Fischer verläßt tief in Gedanken das Auswärtige Amt, fast erdrückt von der Aufgabe, die vor ihm liegt.

Pförtner (verlegen): Entschuldijen Se, dat ich Se nicht sofort erkannt habe! Ich bin untröstlich. Harry Wejnfurt ... Slimfast ... so ein Blödsinn! Könnte ich ein Autogramm haben?

Fischer (zückt bereitwillig einen Grünstift): Was soll ich schreiben?

Pförtner: Schreiben Se bitte: "Für Herbert, den Pförtner vom Auswärtijen Amt", Herr Carrell!

G.D. / K.R. / MiWi