Politik

Kommt die Balltreter AG?

Zuviel Kommerz macht den Fußball kaputt

Schon lange gehen die Verantwortlichen des FC Bayern München mit der Idee der Umwandlung des Vereins in eine Aktiengesellschaft schwanger. Sie ist keineswegs neu, ja, man kann sogar von einem europaweiten Trend sprechen: Aus großen Traditionsvereinen werden Wirtschaftsunternehmen.
Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen Aussichten der größten europäischen Fußballunternehmen besser denn je. Die Merchandising-Umsätze (also wenn man für ein popeliges T-Shirt mit aufgebügelten Rückennummern und Vereinswappen zehnmal soviel kassiert wie für das gleiche Stück ohne diese Zierde) erreichen bei den großen Traditionsklubs (Bayern, Dortmund, Schalke usw.) längst hohe zweistellige Millionenbeträge.

Vereine vermarkten sich selbst

Noch drastischer sind die zu erwartenden Einnahmen aus den Fernsehrechten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Vermarktung der Rechte an allen Fußballspielen in den nächsten Jahren weitgehend komplett in die Hände der Vereine selbst übergehen. Bisher waren noch nationale Verbände (wie der DFB) und der europäische Fußballverband UEFA zwischengeschaltet. Doch diese Zeiten sind vorbei, nicht zuletzt weil die europäischen Großvereine sich selbst immer stärker als Wirtschaftsunternehmen betrachten und die europäischen Kartellbehörden dieser Sichtweise folgen.
Und in der Ferne kommt in einigen Jahren das digitale Fernsehen auf breiter Front. Damit sind die technischen Voraussetzungen für den Wunschtraum aller Fußballmanager geschaffen: Für jedes Spiel könnte der Fernsehzuschauer - wie der Stadionbesucher - separat zahlen müssen.
Angesichts dieser goldenen Zeiten scheint die Umwandlung von Vereinen in Aktiengesellschaften oder GmbHs geradezu zwingend. Wo so viel Geld fließt, sollte man auf die rechtlichen Grundlagen des Wirtschaftslebens zurückgreifen, die auch sehr viel genauer und strenger sind als das äußerst dehnbare deutsche Vereinsrecht.

1,7 Milliarden für ManU?

Und über allem schwebt auch noch das große Vorbild "ManU": Der englische Top-Verein (oder besser: Marktführer) Manchester United ist nicht nur - wie fast alle englischen Clubs - als Aktiengesellschaft organisiert und an der Börse notiert, sondern auch der Liebling der Investoren. Kein Wunder bei 270 Millionen DM Umsatz und 80 Millionen DM Gewinn - eine sagenhafte Umsatzrendite von 30%, die sich nur durch die Bereitschaft der Fans erklären läßt, für alles rund um ihren Lieblingsverein grotesk überhöhte Preise zu zahlen.
Angesichts der Möglichkeiten, die die Börse etwa bei der Beschaffung neuen Kapitals bietet, ist die Nervosität von Leuten wie Uli Hoeneß verständlich, denn sie fürchten, international abgehängt zu werden.
"ManU" zeigt exemplarisch, wohin die Reise gehen kann. Dieser Tage ließ der australisch-amerikanische Medienmogul Rupert Murdoch ein Übernahmeangebot in Höhe von 1,7 Milliarden DM (!) für "ManU" lancieren. Nicht etwa Sportbegeisterung treibt ihn, sondern die Möglichkeiten der Vermarktung des Fußballs. Murdochs Abonnementfernsehsender "BskyB" (mit dem deutschen "Premiere" vergleichbar, nur viel erfolgreicher) hält die Übertragungsrechte an der englischen Premier League. Gleichzeitig baut Murdoch schon heute zusammen mit "ManU" einen clubeigenen Fernsehsender auf. Auch dies deutet in die Zukunft: Die Fußballclubs werden auch die Verwertung der Rechte an Fußballspielen in die eigenen Hände nehmen - wenn es sich rechnet.
Zwar könnte die Politik Murdoch einen Knüppel zwischen die Beine werfen, wenn sie die Übernahme aus kartellrechtlichen Gründen untersagt, doch angesichts der wohlkalkulierten Wahlkampfhilfe von Murdochs Massenblättern für Tony Blair wird das eher unwahrscheinlich sein.
Konkurrenz gibtïs wie im wahren Wirtschaftsleben aber auch. Es wird erwartet, daß der Londoner Konzern Enic, dem bereits die italienische Mannschaft Vicenza, Slavia Prag und ein Viertel der Glasgow Rangers gehört, den Aktionären ein Gegenangebot für "ManU" unterbreitet.
Die Aktionäre, zu einem nicht geringen Teil Fans des Vereins, sind nicht zu beneiden. Sie müssen entweder ihren Verein "verraten" oder wirtschaftliche Nachteile hinnehmen.
Ganz zart deutet sich ähnliches auch im relativ provinziellen deutschen Fußball an. Das Engagement des größten deutschen Medienkonzerns Bertelsmann ("RTL") bei Hertha BSC Berlin, das den Wiederaufstieg der Mannschaft erst ermöglichte, gilt zwar zur Zeit noch als Sponsoring, wird aber sicher bald zu einer maßgeblichen Beteiligung an der "Hertha AG" führen.

Unvereinbare Unterschiede

Bei aller Logik, die die Pläne für die komplette Kommerzialisierung des Fußballs haben, müssen aber die Grenzen zwischen Sport und Wirtschaft eingehalten werden. Sonst degeneriert Fußball zum reinen Showgeschäft, und dann wird die finanzielle Ausbeutung des Fußballs paradoxerweise ebenfalls gewaltig nachlassen.
Da ist erst einmal der Begriff der Konkurrenz. Wünschenswert ist sie nur für den Verbraucher. Jeder Unternehmer ist scharf darauf, die Konkurrenz zu eliminieren. Je weniger Konkurrenten, desto besser für ihn - am besten, man kann als Monopolist den Kunden die Preise vorschreiben.
Im Sport und speziell in der Bundesliga sieht die Sache etwas anders aus. Zum wirtschaftlichen Erfolg eines Vereins ist die Konkurrenz zwingend notwendig - schließlich können die Bayern die Bundesliga ja nicht alleine spielen. Und tückischerweise müssen die Spitzenklubs sogar an möglichst starker Konkurrenz interessiert sein, sonst versinkt die Meisterschaft in Langeweile, mit ernüchternden finanziellen Folgen. Im Sport soll der Gegner - die Konkurrenz - nicht vernichtet, sondern nur geschlagen werden.
Wirtschaftlich gesehen könnte es sich für den Besitzer eines großen Fußballclubs durchaus auszahlen, seiner Mannschaft mal eine Niederlagenserie zu verordnen, um das Interesse an einer langweiligen Bundesliga zu erhöhen und damit mittelfristig auch seine Einnahmen.

Was passiert mit leeren Flaschen?

So droht die sportlichen Ethik, mal allgemein mit Fairneß umschrieben, weitgehend den Jordan herunterzugehen. Im schlimmsten Fall wird ein Fußballkartell aus einigen wenigen erlesenen Fußball-AGs aus den klassischen Ländern dieses Sports den Markt unter sich aufteilen.
Ein Beispiel hierfür war die Diskussion um "wild cards" für besonders "verdienstvollen Clubs" AC Mailand und Borussia Dortmund für den UEFA-Cup. Beide Clubs sind berühmt, beide müssen einen teuren Spielerkader finanzieren, und beide hatten durch überraschend klägliche Leistungen den UEFA-Pokal weit verfehlt. "Wild cards" mögen in Individualsportarten wie Tennis ihre Berechtigung haben, wo Weltranglisten nicht immer die genaue Leistungsfähigkeit widerspiegeln (etwa nach Verletzungen von Top-Spielern). Im Fußball sind "wild cards" ungerecht und eine wettbewerbsverzerrend.
Die "wild card"-Idee war ein Befreiungsschlag der UEFA, um die Großclubs zu besänftigen, die sich selbständig zu machen drohen. Die Planungen für eine europäische Super-Liga, unabhängig von der UEFA, die die "Champions League" ersetzen soll, sind schon weit fortgeschritten. Die UEFA wird den Großklubs sehr weit entgegenkommen müssen, um selber im Geschäft zu bleiben.
Auf der Strecke bleibt aber in jedem Fall der Fan. Es werden in Zukunft immer öfter dieselben "namhaften" Mannschaften gegeneinander spielen, die "Solidarität" zwischen den wenigen reichen und den vielen mittleren Klubs wird weitgehend aufgegeben. Langeweile wird einkehren, von servilen Journalisten mühsam bekämpft.
Auch wird man versuchen, nicht werbewirksame Klubs möglichst weitgehend aus dem europäischen Fußball zu verbannen. Die "Champions League", die ihren Namen ja vollkommen zu Unrecht trägt, ist ein Vorgeschmack.
Nationalmannschaften: Relikte?
In diesem Zusammenhang muß man auch die derzeitige Diskussion um die Nationalmannschaft sehen. Aus der Sicht der Fußballmanager von heute sind Nationalmannschaften Relikte vergangener Zeiten. Sie passen nicht recht in die wirtschaftliche Logik. Sie absorbieren viel zu viel Zeit, sie stellen Risikofaktoren für die abgestellten, hochbezahlten Nationalspieler dar, und sie stehlen den Vereinen noch immer die Schau.
Es wäre schade, wenn die populärste deutsche Sportart durch die Gier von Managern, Präsidenten, Spielern und nicht zuletzt Medienunternehmen Schaden nehmen würde. Zwar ist der Fußball auch heute schon massiv kommerzialisiert, aber weitgehend funktioniert die Bundesliga noch nach den Regeln des Sports. Sollten die Beteiligten (oft ehemalige Spieler, "Kaiser" gar) dies vergessen, werden die Aussichten nicht nur für die Fans trübe.