Editorial

Vom Umgang mit der eigenen Geschichte

Kommerz und Zeitgeist um den Preis der Leichenfledderei?

Umbrüche, insbesondere solche geschichtlichen Ausmaßes, bedingen mitunter die Notwendigkeit von Umbenennungen.
Das war 1945 nach der Kapitulation Deutschlands, wo man insbesondere die Namen nationalsozialistischer Größen von Straßen, Plätzen und Gebäuden sowie sonstigen Einrichtungen tilgte, nicht anders als in der Zeit nach 1989, nachdem der real existierende Sozialismus auf dem Gebiet der vormaligen Deutschen Demokratischen Republik zusammenbrach.
Namen wie auch immer belasteter oder der Belastung verdächtiger Personen verschwanden aus dem öffentlichen Straßenbild.

Namenspatron nicht mehr gefragt

Seit dieser Zeit jedoch traten keinerlei Umstände ein, die Anlaß boten, die Bezeichnung von irgendwelchen Objekten zu ändern, die sich bis dato mit den Namen bedeutender Persönlichkeiten schmücken durften.
Dessen ungeachtet erfolgte in Leverkusen unlängst die Umbenennung einer Einrichtung, deren Bekanntheitsgrad zudem noch weit über die Grenzen unserer Stadt hinausreicht.
Die Rede ist vom Ulrich-Haberland-Stadion, Heimstatt des in der Fußball-Bundesliga spielenden Vereins Bayer 04. Mittlerweile wohl eines der schönsten Stadien in der Bundesrepublik, auf das die Bayer AG als Eigentümerin wie auch die Leverkusener Bürgerinnen und Bürger mit Recht stolz sein können.
Der nunmehr seit dem 26. Juli des Jahres als Namenspatron des künftig unter BayArena firmierenden Stadions abgehalfterte Ulrich Haberland übernahm 1943 die Leitung des Leverkusener Bayerwerkes, damals noch Bestandteil der I. G. Farbenindustrie. Über das Kriegsende hinaus blieb der unbelastete Ulrich Haberland Werksleiter, um schließlich 1951 mit der Neugründung der Farbenfabriken Bayer AG fortan den Posten des Vorstandsvorsitzenden bis zu seinem Tod am 10. September 1961 zu bekleiden.
In der offiziellen Werkschronik Meilensteine' der Bayer AG liest man über Ulrich Haberland nach: "Seine Amtszeit steht für den Weg des Unternehmens ins Wirtschaftswunder und die Rückkehr auf den Weltmarkt."
Neben kulturellen Belangen galt Ulrich Haberland auch als Förderer des Sports, was seinen Namen umso mehr mit dem Stadion an der Bismarckstraße verbindet.
In erster Linie steht sein Name für Tausende Arbeitnehmer und deren Familien dafür, daß sie durch ihn im Nachkriegsdeutschland wieder in Arbeit und Lohn gelangten.

"Global Player" ohne Herkunft?

Insofern gibt es da schon unterschiedliche Akzente zwischen Ulrich Haberland und dem heute amtierenden "Global Player" Manfred Schneider. Allerdings waren die Zeiten zugegebenermaßen damals auch andere. Dennoch wirft die Umbenennung ein bezeichnendes Licht auf das Selbstverständnis, die Tradition und das Geschichtsbewußtsein derjenigen, die heute bei der Bayer AG Verantwortung tragen. Es ist
gleichzeitig ein sicheres Indiz dafür, wie sich das Klima bei "Vater Bayer" in den letzten Jahren nachhaltig verändert hat.
"Zukunft kommt von Herkunft", dieser Ausspruch wird zwar dem ehemaligen Chef der Deutschen Bahn AG, Heinz Dürr, zugeschrieben, muß daher aber für den Konzern Bayer nicht weniger richtig und zutreffend sein.
Es ist durchaus legitim und auch nur konsequent, daß Stadion und die teilweise noch im Entstehen begriffene Infrastruktur in seinem Umfeld möglichst optimal zu vermarkten.

Nicht gerade originell

Aber eine solche Sportstätte ist eben nicht mit einem Markenartikei wie Aspirin oder Alka Seltzer zu verwechseln. Man beurteilt es nach Ausstattung und Funktionalität, wo man dann auch keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Zudem ist der neue Name BayArena nicht gerade sonderlich originell, gibt es in Oberhausen doch bereits eine "Arena Oberhausen", während sich die benachbarte Stadt Köln anschickt, demnächst ihre "KölnArena" zu eröffnen. Zudem zeugte die inszenierte Umbennenung von mangelnder Professionalität, sonst wäre damit gleichzeitig der Schriftzug Ulrich-Haberland-Stadion gefallen und der neue Name angebracht worden.

Leichenfledderei

So soll Ulrich Haberland demnächst eben mit einer Ehrenplakette in der Südtribüne des Stadions gedacht werden.
Vielleicht hätte man die Angelegenheit dergestalt regeln können, daß die neue BayArena den Namen Ulrich Haberland künftig im Untertitel führen könne.
Dem Stadion aber den Namen einer so verdienstvollen Person gänzlich abzuerkennen, die sich dagegen nicht mal mehr wehren kann, zeugt mindestens von fehlender Pietät, wenn nicht gar von einer Art später Leichenfledderei.