Satire

Der Mann fürs Grobe

Bürotrakt des Regierungssprechers im Bundespresseamt. Erster Arbeitstag von Otto ("Rambo") Hauser, der damit beschäftigt ist, Umzugskartons auszupacken. Im Vorzimmer warten sein altgedienter Sekretär, ein Ministerialdirigent, ein Abgesandter von CDU-Generalsekretär Peter Hintze, ein Journalist des Münchner Merkur und einer des "Spiegel" auf den neuen Mann.
Aus dem Amtszimmer ertönen dröhnende Schläge, die das ganze Haus in den Grundfesten erzittern lassen. Der Sekretär lugt vorsichtig ins Zimmer.

Sekretär: Brauchen Sie Hilfe? Und denken Sie bitte an die Herren von der Presse.

"Rambo" Hauser: Gesindel! (schwingt den Vorschlaghammer) Ich muß noch die Bilder aufhängen. Das ist immer noch die beste Methode, falls es keine tragende Wand ist. Aber die statischen Probleme in Bonn interessieren mich sowieso nicht.

Sekretär (verlegen): Ihre Bildergalerie fasziniert mich immer wieder ...

"Rambo" Hauser (strahlt): Ja, es geht doch nichts über Stilleben und Porträts großer Politiker. Außerdem möchte ich hier den Bundespräsidenten um mich haben, den ich aufgrund seines diplomatischen Fingerspitzengefühls am meisten schätze.

Sekretär (verläßt den Raum)

Münchner Journalist (gespannt): Na, was ist los?

Sekretär: Er hängt seine Bilder auf. Stilleben und große Politiker.

Ministerialdirigent: Wen denn?

Sekretär: Dregger, mit Widmung, und den früheren Bundespräsidenten Lübke -

Spiegel-Journalist (süffisant): "Meine Damen und Herren, liebe Neger" ...

Münchner Journalist: "Der Ball war drin" ...

Sekretär: Genau den. Außerdem hat er ein Regal mit Anti-Falten-Cremes, Haarfestiger und -spray, Bürsten und einem Ersatz-Toupet angebracht. Nur ein Spiegel fehlt. Der soll aber heute noch kommen.

Hintzes Abgesandter: Und die Stilleben?

Sekretär: Eine Leistungsschau der deutschen Bauwirtschaft: Dampframmen, Preßlufthämmer, Straßenwalzen und ähnliches.

Spiegel-Journalist (strahlt, notiert eifrig)

Sekretär: Die Regale mit seinen Lieblingsvideos hat er auch schon eingeräumt.

Spiegel-Journalist (leckt gierig an seinem Bleistift) Sie können uns nicht zufällig die Titel sagen?

Sekretär: Och, nichts besonderes: Horrorvideos für den Hausgebrauch, fast alle Bud Spencer-, Rocky- und Rambo-Filme und selbstverständlich die Alien-Reihe. Einen Clint Eastwood-Film mag er besonders. Von dem hat er sogar das Filmplakat gerahmt: "Für eine Handvoll Euros".

Spiegel-Journalist (kritzelt und verfällt vor lauter Begeisterung in das Idiom seiner Kindheit): Echt kein Scheiß, Mann?

Gegensprechanlage (quäkend): Der erste soll reinkommen.

Münchner Journalist: Ich warte schon am längsten. (Betritt das Büro.)

"Rambo" Hauser: Sie kommen aus Bayern? Ah ja. Der Widerstand der bayerischen Staatsregierung gegen europäische Belange kann von einem führenden europäischen Staatsmann wie meinem neuen Chef Helmut Kohl, zu dem ich direkten Zugang habe - das ist wichtig! Haben Sie das? - nicht mehr hingenommen werden. Wenn Herr Stoiber seinen Ton nicht mäßigt, werden die bayerischen Bauern dies sehr schnell an ihren Geldbeuteln spüren. Ich, wie auch mein Chef, sehen es nicht länger ein, die europäischen Steuerzahler für bayerische Interessen bluten zu lassen.

Münchner Journalist: Aber ...

"Rambo" Hauser: Vor allem nicht, wenn es der bayerischen Staatsregierung und den Bayerischen Motorenwerken nicht einmal gelingt, Rolls-Royce zu übernehmen. Statt dessen landet Herrn Schröders Käferbande diesen wichtigen Punktsieg!

Münchner Journalist: Mein Blatt steht der Politik der Bundesregierung durchaus wohlwollend gegenüber. Meinen Sie nicht, Sie sollten vorsichtiger argumentieren?

"Rambo" Hauser: Lieber einen guten Freund verlieren als eine Pointe unterdrücken, hahahaha!. Machen Sie Ihren Lesern klar, daß jetzt ...

Münchner Journalist: ... ein neuer Wind weht.

"Rambo" Hauser: Genau! Noch Fragen?

20 Minuten später. Fluchtartig verläßt der Münchner Journalist Hausers Büro. Am Türrahmen zerschellt ein Briefbeschwerer.

Gegensprechanlage (quäkend): Ist der Spiegel-Mann schon da?

Spiegel-Journalist: Na endlich. (Tritt ein.)

"Rambo" Hauser (ohne aufzuschauen): Wurde ja auch Zeit. Der Spiegel wird da hinten rechts angebracht. Durch die natürliche Beleuchtung kommt mein Teint besser zur Geltung.

Spiegel-Journalist (ungerührt): Stimmt es, daß Sie Sachsen-Anhalt einzäunen und als überirdisches Lager für strahlende Brennelemente nutzen wollen, wenn die PDS dort in Zukunft mehr als 15% der Stimmen bekommen sollte?

"Rambo" Hauser: 15% sind doch schon ein Zugeständnis ... (blickt auf) Sie sind doch nicht der Spiegel-Mann?

Spiegel-Journalist: Aber ja doch. Schöne Grüße von Rudi Augstein.

"Rambo" Hauser (brüllend): Sie haben sich unter falschen Voraussetzungen hier eingeschlichen! Ich erwartete einen Monteur und keinen Lügenklempner! Die linke Kampfpresse wird sich noch an den Tag meiner Berufung erinnern! Vielleicht wird Ihr Herr Augstein bald wieder mal Bekanntschaft mit schwedischen Gardinen machen. Und jetzt raus! (Greift in den neben ihm stehenden Karton mit Briefbeschwerern)

Spiegel-Journalist (flieht mit hohem Tempo)

Gegensprechanlage (quäkend): Schicken Sie mir jemanden zum Abreagieren!

Sekretär (zu Hintzes Abgesandten) Er meint Sie.

Hintzes Abgesandter (betritt bleich und zitternd "Rambo" Hausers Büro)

"Rambo" Hauser: Na, was hat sich Pastor Baldrian, die Mutter Theresa des Adenauerhauses, jetzt wieder ausgedacht? Bisher habe ich doch selbst schneller einen roten Socken gestrickt als Hintze einen Rufmord begangen!

Hintzes Abgesandter: Also, wir sollen eine gemeinsame Strategie ausarbeiten -

"Rambo" Hauser: Strategie? Mit Kampf hat ihr Wahlkampf doch bisher wenig zu tun! Haben Sie schon einmal Gerhard Schröders Steuererklärung veröffentlicht? Wo bleibt ein gezielter Tiefschlag gegen Lafontaine, die rote Lichtgestalt?

Hintzes Abgesandter: Aber ... die politische Kultur!

"Rambo" Hauser: Nie gehört, den Begriff. Gehen Sie! Und kommen Sie wieder mit einem platten Vergleich, einer satten Beleidigung oder einer glatten Verleum-

Das Telefon (klingelt)

"Rambo" Hauser (hebt ab): Hier Rambo Hauser, der Mann fürs Grobe ... Oh, hallo Chef! ... Ja ... Ja, gut ... (geschockt) Was? Wie bitte? Das können Sie mit mir doch nicht ma- (hört längere Zeit nur zu; resigniert) Offenbar doch. (legt konsterniert auf; mehr zu sich selbst). Unfaßbar. Er hat mich gefeuert! Zu wenig Gespür, sagt er. Ausgerechnet ich zu wenig Gespür!

Hintzes Abgesandter (verbirgt mühsam seine freudige Überraschung): Und hat er schon gesagt, wer Ihr Nachfolger wird?

"Rambo" Hauser: Ja. Der neue Mann soll Völkerverständigung, Sensibilität und Offenheit gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen verkörpern.

Hintzes Abgesandter: Und wer ist es?

"Rambo" Hauser: Harald Schmidt.

G.D. / K.R.