Leserbrief

Leserbrief

In POLITEIA 168 (Februar 1997) erschien eine kleine Glosse, in der wir uns am Subventions(un)wesen rieben. Zu unserer Überraschung wehrten sich die dort aufgespießten "Subventionslotsen" mit einem späten, aber erschreckend niveauvollen und amüsanten Leserbrief. (der uns - nebenbei - nicht völlig überzeugt hat). Wegen der inzwischen verflossenen anderthalb Jahre drucken wir zusätzlich zum Leserbrief den Stein des Anstoßes noch einmal ab (Kasten). Eines muß aber festgehalten werden: Wir haben keine Vorurteile gegenüber Trüffelschweinen!!

Jobs und Subventionen

Subventionen! Subventionen! Nichts ist theoretisch so verwerflich und praktisch so praktisch wie Subventionen.
Nicht nur FDP-Politiker fordern regelmäßig ihre Abschaffung. Eigentlich will niemand Subventionen. Höchstens diese wirklich einleuchtende Überbrückung ... oder dort eine diskrete Strukturbeihilfe ...
Nein, mit Ausnahme dieser Ausnahmen will niemand Subventionen. Diese Ausnahmen machen irgendwo zwischen 60 und 150 Milliarden DM aus. Weg mit ihnen! Sagen die Politiker.
Und die Konsequenzen? An die denkt keiner. Subventionen schaffen Arbeitsplätze ganz eigener Art: Ein hessisches Unternehmen mit 19 Büros bundesweit (es nennt sich "Subventionslotse") führt kleine und mittlere Unternehmen zielstrebig gegen erfolgsabhängige Bezahlung an die ergiebigsten der weit über 1000 deutschen und europäischen Subventionstöpfe. Auch andere Unternehmen bieten einen ähnlichen Service.
Und da will man Subventionen streichen? Wo die angeblich so unfruchtbare deutsche Dienstleistungsbranche einen so frischen, blühenden Trieb hervorgebracht hat? Macht sich denn niemand klar, wie viele Menschen betroffen wären, entzöge man den "Subventionslotsen" das Objekt ihrer Arbeit? In diesem Fall würde den wackeren Fördertopf-Trüffelschweinen wohl nur eine Subventionsabschaffungsübergangssubvention helfen.
G.D.

Wir bedauern sehr, daß Ihnen das Geschäftsfeld unseres Unternehmens so sehr mißfällt, daß Sie uns in dem Artikel "Jobs und Subventionen" in der Zeitschrift Politeia Nr. 168 als (immerhin wackere - dafür vielen Dank) Trüffelschweine bezeichnen. Bitte gestatten Sie uns in diesem Zusammenhang einige Erläuterungen, die Ihnen möglicherweise zu einer Modifikation Ihres sehr klaren Standpunktes verhelfen.
Bei einer ausführlichen Recherche wird Ihnen auffallen, daß Subventionen in praktisch jedem Staat der Erde und besonders in den Industriestaaten gewährt werden. Möglicherweise sind Sie der Meinung, daß dies ausschließlich durch Lobbyismus oder andere marktfremde Entscheidungsfindungsfaktoren zu erklären ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Für Ihr weiteres Verständnis möchten wir daher kurz auf den Begriff der Subventionen eingehen: Unter Subventionen werden allgemein (und vielleicht zukünftig auch von Ihnen) finanzielle Hilfen aller Art verstanden, die der Staat an Unternehmen leistet. Im weiteren Sinn fallen hierunter auch die Bereitstellung von Risikokapital sowie die Unterstützung von Privatpersonen.
Nun haben Sie möglicherweise schon einmal von Adam Smith gehört, der im Jahr 1776 ("Wealth of Nations") nachwies, daß der Markt unter bestimmten Annahmen immer zu optimalen Ergebnissen führt. Wenn Sie den Lagrange-Ansatz beherrschen, können sie dies auch ohne weiteres mathematisch nachweisen. Aber das können Sie sicher, denn mit der Redewendung "Nichts ist theoretisch so verwerflich..." beziehen Sie sich ja offensichtlich auf Adam Smith. Der alternative Gedanke, daß Sie als Journalisten bei der Darstellung von Sachverhalten weder auf feststehende Tatsachen noch auf Argumentationen zurückgreifen, erscheint uns abwegig. Allerdings ist die Wirtschaftstheorie derzeit nicht mehr auf dem Stand von 1776. Konkret bedeutet dies, daß die Erkenntnis in die Wirtschaftswissenschaften Einzug gehalten hat, daß die Grundannahmen des Smith-Modells nicht immer gegeben sind.
Ein Beispiel (unter anderen) für suboptimale Marktergebnisse bieten sogenannte externe Effekte. Diese liegen immer dann vor, wenn von einer Markttransaktion nicht nur die Transaktionspartner selbst, sondern auch unbeteiligte Dritte betroffen sind. Denken Sie zum leichteren Verständnis eines negativen externen Effekts an Autoabgase: Der Markt führt nicht zu einer optimalen Allokation, da über Kauf und Produktion eines Autos lediglich Anbieter und Nachfrager entscheiden, nicht jedoch ein Fußgänger, der von den Abgasen aber sehr wohl betroffen ist. In diesem Fall lautet der Rat der Wirtschaftstheorie, die sozialen Kosten eines Gutes auf den Marktpreis aufzuschlagen. Diesen Aufschlag nennt man Pigou-Steuer, wobei freilich eingeräumt werden muß, das ein exaktes Beziffern der Höhe der sozialen Kosten oft schwerfällt. Ebenso verhält es sich mit positiven externen Effekten. So kommen etwa Forschungsergebnisse einer gesamten Volkswirtschaft zugute ("Spill over-Effekt"), ohne daß dies im Preis des einen, "erforschten" Gutes enthalten wäre. Um zu verhindern, daß aus diesem Grund weniger geforscht wird als gesamtwirtschaftlich wünschenswert ist, rät die Wirtschaftstheorie hier die Gewährung von Pigou-Subventionen. Sie erkennen an diesem Beispiel möglicherweise eine gewisse Anreiz- und Lenkungsfunktion.
Außer optimalen Marktergebnissen fallen Ihnen möglicherweise noch weitere Sachverhalte (wie etwa die Gleichberechtigung von Frauen, deren "Marktwert" durch die Möglichkeit einer Schwangerschaft deutlich verringert wird) ein, die zwar gesellschaftlich wünschenswert sind, jedoch nicht über Marktmechanismen gesteuert werden. Auch hier stimmen Sie bei nochmaliger Reflexion Ihres Standpunktes möglicherweise mit uns überein, daß finanzielle Hilfen sinnvoll sind. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für den sinnvollen Einsatz finanzieller Mittel durch den Staat, wobei die konkrete Umsetzung sicherlich bisweilen deutlich zu verbessern ist.
Damit Sie nun aber nicht andauernd uns zustimmen müssen ohne daß wir auch einmal Ihrer Meinung sind, wollen wir Ihnen gerne zugestehen, daß Strukturerhaltungssubventionen sicherlich keine dauerhafte Lösung für effiziente Marktergebnisse einer Branche darstellen. Nur möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, daß es unseres Erachtens nicht der Argumentationsschärfe dient, die Begriffe "Subventionen" und "Strukturerhaltungssubventionen" zu verwechseln. Vielleicht ist dies Oberhaupt ein guter Ratschlag für Ihre weitere politische und journalistische Karriere: Begriffe zu verwechseln ist meist nicht gut. Um im konkreten Fall helfend einzuspringen, gestatten Sie uns bitte abschließend einen praktischen Vergleich:
Ihre Eltern haben Ihnen möglicherweise Geld zur Verfügung gestellt, damit Sie ein Studium finanzieren können. Sollten es nicht Ihre Eltern gewesen sein, war es möglicherweise der Staat. Sollte es kein Studium gewesen sein, war es möglicherweise ein Hauptschulabschluß. Falls Sie nun den Rest Ihres Lebens mit dem Studium verbringen, Ihre Gönner dies erkennen und Sie trotzdem weiterhin finanzieren, so wäre dies mit Strukturerhaltungssubventionen vergleichbar (ähnlich wie bei Kohlesubventionen, sagt ja gewissermaßen schon der Name). Sollten Sie hingegen nach oder sogar schon vor dem Abschluß einen Arbeitsplatz finden, so wären die Zahlungen zwar ebenfalls Subventionen im übertragenen Sinne, dann aber wäre die Redewendung "Keiner will sie" doch wohl etwas kraß formuliert, da ja in diesem Fall außer Ihnen auch Ihrem Arbeitgeber, ihren Kunden, dem Steuerzahler, kurz: dem Allgemeinwohl geholfen wäre. Sollten Sie sich sogar selbständig machen, hätten Sie über die Beseitigung Ihrer eigenen Arbeitslosigkeit hinaus zur Schaffung von Arbeitsplätzen beigetragen.
Wenn Sie uns, nun aber wirklich abschließend, einen Ratschlag erlauben, so sollten Sie die inhaltliche Qualität Ihrer Artikel auf das Niveau Ihres Schreibstils anzuheben versuchen, der uns sehr gefallen hat. Sollte Ihnen dies eines Tages den Weg in die Selbständigkeit ermöglichen, so denken Sie möglicherweise an uns. Wir haben schließlich eine Abteilung für Existenzgründer.

WABECO Subventionslotse GmbH
Pfingstweide 51
61169 Friedberg/Hs.