Politik

Völliger Wahnsinn

Größenwahn in Wolfsburg oder: Der Volks-Royce droht

Die deutsche Automobilindustrie boomt. Daimler-Benz fusioniert mit Chrysler, Gespräche mit Nissan Motors über eine Zusammenarbeit in der LKW-Sparte laufen. BMW plant Rolls Royce und Bentley zu übernehmen, Volkswagen hat ebenfalls ein Angebot zur Übernahme der beiden englischen Nobelmarken gemacht. Doch im Gegensatz zu Volkswagen sind die Voraussetzungen für BMW eher günstig. Welcher Teufel reitet die Herren des Volkswagenvorstandes, ein solches Hasardspiel vorzunehmen? Als BMW das Ubernahmeangebot an den Vickers-Konzern zum Preis von einer Milliarde DM machte, schien es sicher, daß der Münchener Automobilkonzern den Zuschlag erhielt, zumal schon seit einiger Zeit die Münchener V8- und V12-Motoren für Rolls Royce und Bentley liefern. Desweiteren sind die Planer von BMW an den letzten Modellen der englischen Autofirmen beteiligt. Nachdem nun VW, im ersten Gang unterlegener Mitinteressent, sein Angebot um 230 Mio. DM nachgebessert hat, empfahl der Vorstand des Vickers-Konzerns, Eigentümer der beiden Nobelmarken, seinen Aktionären, das Angebot der Wolfsburger anzunehmen; der Aufsichtsrat schloß sich dem Votum des Vorstandes ebenfalls an. So scheint BMW kurz vor dem Ziel noch ausgebootet worden zu sein. Doch die Übernahme von Rolls Royce und Bentley ist für den VW-Konzern mit großen Risiken verbunden.

Kündigung des Vertrages

Sollte der Zuschlag nicht an BMW gehen, so hat der Vorstand von BMW damit gedroht, die Lieferung von Motoren für die Luxuskarossen binnen Jahresfrist einzustellen. Dieses wäre ein herber Schlag für den VW-Konzern unter dem ehrgeizigen Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch. So kann doch Volkswagen in diesem kurzen Zeitraum keinen adäquaten Ersatz für die BMW-Motoren beschaffen, geschweige denn produzieren. Ein vorübergehender Ersatz wäre nur mit sehr viel Geld zu bewerkstelligen. Gelingt dieses nicht, muß die Produktion gestoppt werden. Auch würde die Übernahme von Rolls Royce Volkswagen in den nächsten Jahren nahezu 5 Mrd. DM mit Folgekosten und Investitionen belasten. Ein weiterer Pferdefuß an der Übernahme ist, daß VW nicht automatisch das Recht am Namen Rolls Royce erwerben würde. Dieses Namensrecht befindet sich bei der Rolls Royce-plc, die Turbinen für Flugzeuge herstellt. Ein Verfügen über den Namen Rolls Royce müßte vermutlich mittels eines langjährigen Gerichtsprozesses erstritten werden.

Kampf der Automobilhersteller

Weitergehend kann BMW Volkswagen noch durch seine englische Tochter Rover schaden. Im Firmenkonzept des Ferdinand Piëch spielt das englische Cosworth-Motorenwerk eine entscheidende Rolle. Volkswagen benötigt diesen Motorenproduzenten dringend. Doch zur Zeit ist die Auftragslage eher schlecht, Rettung würde ein geplanter Großauftrag von Rover bringen. Dieses könnte aber wiederum von BMW/Rover gestoppt werden, wenn der Zuschlag für Rolls Royce an Volkswagen geht. Die gesamte Firmenkonzeption von Volkswagen kommt hiermit ins Schwimmen.

Größenwahn in Wolfsburg

Ferdinand Piëch, Enkel des legendären Ferdinand Porsche, scheint sich zu übernehmen. Selbst Mitglieder des eigenen Aufsichtsrates halten die Gewinnaussichten des Rolls Royce-Deals für sehr gering. Die enormen Kosten werden eine weitere Kapitalerhöhung nötig machen, die Dividende dürfte denkbar gering ausfallen, kein attraktives Angebot also für Aktionäre. Die Kauf- und Kooperationswut des Ferdinand Piëch scheint keine Grenzen zu kennen. Wurden in den Vergangenen Jahren Seat und Skoda geschluckt, so ist nun eine enge Zusammenarbeit mit Porsche geplant, ganz abgesehen von der Tochtergesellschaft Audi. Nur scheint der englische Bissen nun doch etwas zu groß für die Wolfsburger zu sein.

Randbemerkung

Sowohl BMW als auch Volkswagen scheinen die nötigen finanziellen Mittel für die Fusion zu haben, jedenfalls nach eigener Rechnung. Dieses wirft doch ein bezeichnendes Bild darauf, wie"schlecht" es der deutschen Automobilindustrie geht.
Im Laufe der nächsten Tarifverhandlungen oder bei einem der vielen wohltuenden HenkelWorte sollte man sich an die finanzielle Ausstattung der deutschen Automobilindustrie erinnern.

K.R.