Satire

Für eine Handvoll Heiermänner

Bonn. Saarländische Landesvertretung. August 1998. Eine inoffizielle Klüngelrunde der SPD verteilt das Fell des Bären, bevor er erlegt ist. Anwesend sind der Gastgeber Oskar Lafontaine, Kanzlerkandidat Gerhard Schröder, Fraktionsvorsitzender Rudolf Scharping, die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang (Brutus) Clement.

Lafontaine (wie immer von seinen beiden goldkettchenbehängten, sonnenbebrillten und tätowierten Bodyguards flankiert): Genossin und Genossen. Langsam wird es Zeit, an die Zukunft für Deutschland zu denken. Bis zu unserem triumphalen Wahlsieg am 27. September sind nur noch 5 Wochen Zeit. Bis dahin müssen wir die wichtigsten Staatsämter und Posten der Republik unter uns verteilt haben.

Schröder: Genau. Ich dachte mir ....

Lafontaine (fährt ihm über den Mund): Was du denkst, ist irrelevant.

Schröder: Aber ich bin der Kandidat! Ich bin der Tony Blair Deutsch-

Lafontaine: Von meinen Gnaden. Mir ist es egal, wer unter mir Kanzler wird. Dein einziges Talent liegt doch darin, daß du alten Leuten lächelnd und ohne mit der Wimper zu zucken schrottreife Gebrauchtwagen für 5 Mark verkaufen kannst -

Scharping: - und sie dich hinterher dafür noch lieben.

Clement (aufs Thema zurückführend): Wir wollen schließlich heute noch zu Potte kommen. Fangen wir oben an: Johannes wird Bundespräsident.

Simonis: Kommt gar nicht in Frage. Jetzt sollte es endlich mal eine Frau machen. Sonst schickt die CDU die Rita ins Rennen-

Alle (ziehen zischend die Luft ein): Alles, nur das nicht!

Clement zündet sich erschreckt die seit Monaten erste Zigarette an.

Simonis: - und wir gucken wieder in die Röhre.

Clement (zieht nervös an dem Glimmstengel): Dann laß es uns später entscheiden. Nur eins ist wichtig: der Alte muß weg. Er geht mir mit seinem dauernden "Versöhnen-statt-spalten"-Gesülze auf Bibelbasis ganz gehörig auf die Nerven.

Schröder: Aber wohin mit ihm?

Simonis: Wir haben in Schläfrig-Holstein eine verschwiegene kleine Klinik, wo die Fenster noch vergittert und die Ärmel überlang sind - und nur 5 Mark Selbstbeteiligung am Tag -

Clement (zu den Bodyguards): Holt mir mal 'ne Packung Zigaretten (schnippt ihnen eine Münze hin) Hier, 5 Mark.

Die beiden Bodyguards verlassen den Raum.
Das Schicksal von Johannes Rau wird geklärt, und man kommt zu einer tragfähigen Lösung auf Fünf-Mark-Basis. Nun wendet man sich intensiv wichtigeren Posten zu.
20 Minuten später...

Simonis: - und diese Matthäus-Maier kommt mir nicht ins Finanzministerium! Meinetwegen schickt sie nach Europa.

Lafontaine (nervös) Apropos schicken: Die beiden könnten vom Zigarettenholen langsam mal wiederkommen -

Die Tür öffnet sich.

Lafontaine (beruhigt): Hallo Jungs, es wurde aber auch Zeit, daß ihr - (überrascht) oh, hallo!

Statt der erwarteten Bodyguards schneien die drei grünen Spitzenpolitiker Joschka Fischer, Gunda Röstel und Jürgen Trittin herein.

Schröder (entsetzt): Was wollen die denn hier?

Trittin (lümmelt sich auf einen Stuhl und knallt die Füße auf den Tisch) Essen. Und schachern. Was ihr bisher ohne uns besprochen habt, ist ungültig.

Clement: Was fällt euch ein!

Alle Grüne (im Chor): 5 Mark!

Entsetzter Aufschrei der GenossInnen.

Lafontaine: Laßt uns das zurückstellen. Wir haben ja noch 5 Stunden Zeit.

Trittin: Also Kanzler macht der Gerhard. Das Außenministerium ist ein typisch grünes Ressort -

Clement: Wie bitte?

Trittin: Genau wie das Justizministerium. Dann würde ich dafür sorgen, daß Unfallflucht besser bestraft wird.

Röstel: Genau! Denkt doch nur an die beiden armen Schweine, die gerade draußen vor dem Zigarettenautomaten über den Haufen gefahren wurden!

Clement und Schröder klatschen heimlich unter dem Tisch ab.

Lafontaine: Aber - meine Mehrheit! (springt auf und rennt hinaus)

Schröder: Ist Geschichte. Jetzt werden große Brötchen gebacken!

Trittin: Aber nicht aus gentechnisch verändertem Mehl!

Fischer: Ich darf noch einmal erinnern, daß wir auf jeden Fall 5 Mark durchsetzen werden. Und zwar europaweit.

Schröder: Ach?

Fischer: Sonst hat es keinen Sinn. Wenn wir aber 5 Mark europaweit durchsetzen wollen, brauchen wir Grüne das Außenministerium. Und das Wirtschaftsministerium.

Schröder (sarkastisch): Warum nicht auch gleich das Finanzministerium?

Röstel: Das war unsere nächste Forderung.

Scharping: Wir können doch einen Kompromiß schließen. Ihr kriegt das Außenministerium, und der Benzinpreis bleibt bei -

Trittin: Fünf Mark!

Simonis (beschwichtigend): Laßt uns doch über was anderes reden. Zum Beispiel Verteidigungspolitik.

Fischer: Na gut. Um dem Recht zum Sieg zu verhelfen, muß die internationale Staatengemeinschaft und gerade wir Deutsche aufgrund unserer historischen Verantwortung in Bosnien und in Kosovo mit internationalen Friedenstruppen -

Trittin: Die faschistoide Bundeswehr hat auf dem Balkan nichts zu suchen. Abwickeln! Grüner Abrüstungsminister ist Pflicht!

Clement (knirscht mit den Zähnen): Dieses Amt haben wir für Rudi vorgesehen -

Scharping (freudig überrascht): Ach?

Schröder: Der schläfert alle potentiellen Gegner schon im Vorfeld ein.

Fischer: Dann müßt ihr uns was anderes anbieten. Ich denke da an -

Trittin: 5 Mark.

Schröder (beginnt zu kochen, schreit in italo-bayerischem Neudeutsch) : Ihr seid wie Flaschen leer!

Fischer: Apropos italienisch: Ich hab' Hunger. Waren wir hier nicht zum Essen verabredet?

Schröder: Tja, unserer geschätzter Gastgeber irrlichtert draußen irgendwo an dieser Unfallstelle herum ... Aber jetzt mal Tacheles. "Mit 5 Mark sind Sie dabei" - das geht nicht, das gibt Bürgerkrieg.

Fischer (begeistert): Ich hab's! Natürlich! Ich habe den idealen Kompromiß!

Trittin: Nichts da! 5 Mark!

Fischer: Nein. Viel besser: 3 Euro!

Schröder: Endlich kommt ihr uns mal entgegen! (bemerkt die entsetzten Blicke von Simonis und Clement) Was habt ihr? 5 Mark Benzinpreis nicht mit uns - das haben wir versprochen. Und das halten wir.

Für diesen historischen Kompromiß legen alle Genossen eine entsetzte Schweigeminute ein, die jäh vom hereinplatzenden Gastgeber unterbrochen wird.

Lafontaine (aufgewühlt): Tot. Alle beide. Selbst ich konnte nichts mehr für sie tun und durfte nur noch ihre Sachen entgegennehmen. (Legt einen Berg Goldkettchen, zwei verbogene Sonnenbrillen, zwei Schlagringe und andere verbotene Gegenstände des täglichen Bedarfs auf den Tisch ) Laut Zeugen ein VW mit Hannoveraner Kennzeichen. Unfallflucht.

Schröder (grinsend): Hier haben wir das meiste einvernehmlich geklärt. Bleibt nur noch eine Frage offen -

Clement (auf seine immer noch leere Zigarettenschachtel deutend, zu Lafontaine): Haste meine 5 Mark?

G.D. / K.R. / MiWi