Politik

Der schwere Kampf gegen das Nichts

Wird es im Wahlkampf um Personen oder Inhalte gehen?

Mit dem Ausgang der Niedersachsen-Wahl hat der SPD-interne Streit um die Kanzlerkandidatur zwischen Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder ein jähes und klares Ende gefunden. Der Medienstar, der für die Sozialdemokraten im Vergleich zu 1994 noch einmal satte 3,6 Prozentpunkte hinzugewinnen und somit die absolute Mehrheit im hannoverschen Landtag ausbauen konnte, soll nun auch in Bonn die Macht erobern.

Umfunktioniert

Bei den Landtagswahlen war es Schröder gelungen, von den Problemen in seinem Bundesland (20 Prozent Arbeitslosigkeit, Pro-Kopf-Schulden acht Prozent über dem Bundesdurchschnitt) abzulenken. Sein junger Herausforderer Christian Wulff (CDU) konnte nicht verhindern, daß Schröder die Wahl zur Abstimmung über die SPD-Kanzlerkandidatur umfunktionierte. Da mit der Kandidatenkür nun die beiden Kontrahenten für die Bundestagswahl feststehen, hat der Wahlkampf bereits begonnen. Wie es aussieht, wollen die Sozialdemokraten dabei auf eine Medienschlacht zwischen den Personen Kohl und Schröder setzen. Schon wenige Tage nach der Niedersachsen-Wahl konnte man in der Tageszeitung eine ganzseitige Anzeige bewundern, auf der neben den beiden bekannten roten Quadraten und dem Parteikürzel nur noch das Konterfei des Herausforderers mit der Feststellung "Ich bin bereit." zu sehen war.

"Hauptsache Kohl weg"

Offensichtlich scheint der Niedersachse seine Chance darin zu wittern, daß er den Wählern sagt: "Wenn ihr mich nehmt, seid ihr den Kohl los." Warum man den jetzigen Kanzler aber abwählen sollte, dafür werden kaum inhaltliche Argumente geliefert. Tatsächlich erhofft sich Schröder die zur Machtergreifung notwendigen Stimmen ja aus jener politischen "Mitte", die bisher (aus inhaltlichen Gründen) CDU und Helmut Kohl hatte. Die wenigen thematischen Aussagen, die der Kohl-Herausforderer bisher gemacht hat, sind bewußt diffus gehalten. So hofft er einerseits, Stimmen aus der "Mitte" zu gewinnen. Andererseits will er es sich auch nicht mit der SPD-Stammwählerschaft verderben, die quasi den Grundstock für die zur Machtübernahme notwendigen Stimmen bilden soll. Die Versprechungen, die für den linken Teil des politischen Spektrums gedacht sind, etwa von staatlichen Beschäftigungsprogrammen gegen die Arbeitslosigkeit, werden mit dem Nachsatz versehen "soweit finanzierbar". Dagegen kann niemand etwas haben. Wenn kein Geld da ist, kann man auch keins ausgeben. Dabei wird verschwiegen, daß eigentlich schon jeder weiß, daß kein Geld da sein wird, daß die Versprechungen damit praktisch Nullaussagen sind.

Niveau anpassen?

Für Helmut Kohl und die CDU wird es schwierig, angesichts der zwischenzeitlich verheerenden Meinungsumfragen (62% pro Schröder, 28% pro Kohl nach dem ZDF-Politbarometer vom März) von dem sich bewußt unverbindlich haltenden Niedersachsen wieder Terrain zurückzugewinnen. Schröder gibt sich trotz der miserablen Wirtschaftsdaten in seinem Bundesland (s.o.) als Reformer aus, und die Wähler glauben es ihm. Nur wenige scheint es zu interessieren, wie seine tatsächlichen Rezepte für die Herausforderungen der nächsten Jahre aussehen. Einen Personenwahlkampf Kohl contra Schröder könnte die CDU nur gewinnen, wenn sie noch kurzfristig wirtschaftliche Erfolge vorweisen könnte. Dies ist im Moment aber eher unwahrscheinlich. Andererseits ist aber auch fraglich, wie weit man dem Wahlkampf noch einen inhaltlichen Stempel (Steuerreform, Renten, Senkung der Lohnnebenkosten, Außen- und Europapolitik) aufdrücken kann. Im Rückblick wird man in einigen Jahren den Bundestagswahlkampf vielleicht wie eine "Star Trek"-Folge betiteln können: "Der schwere Kampf gegen das Nichts".

M.W.