Politik

Hammelburg

Ermittlungen eingestellt
Obszön und brutal, aber nicht rechtsradikal

In unserer Mediengesellschaft stehen mittlerweile die Orte des Geschehens als Synonym für bestimmte Taten. Daß es sich dabei zumeist um negative Ereignisse handelt, versteht sich fast von selbst. Schließlich sind nur schlechte Meldungen eine Nachricht wert, während der Nachrichtenwert erfreulicher Dinge eben weniger spektakulär und damit von weitaus geringerem Interesse ist.
Seitdem verbindet man mit dem Namen der Stadt Solingen nicht mehr hervorragende Messer- und Schneidwaren, sondern zunächst einmal den Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus, bei dem seinerzeit mehrere Menschen den Tod fanden.
Gleiches gilt für die Stadt Mölln in Norddeutschland oder Rostock und Hoyerswerda in den neuen Bundesländern. Fortan haben sich die Namen dieser Städte entsprechend negativ im Gedächtnis der bundesdeutschen Öffentlichkeit eingeprägt. Mitunter auch über die deutschen Grenzen hinaus.
Seit Juli vergangenen Jahres hat auch das bayerische Städtchen Hammelburg seinen Ruf weg. Bis dato lediglich dem einen oder anderen Wehrpflichtigen ob des dort bestehenden Truppenübungsplatzes her in mehr oder weniger guter Erinnerung, galt Hammelburg als unbescholten. Auf besagtem Truppenübungsplatz nahmen die fortan den Ruf des Ortes prägenden Vorkommnisse schließlich auch ihren Ausgang.

2000 Mark

Insgesamt sechs Bundeswehrangehörige drehten dort bereits in der Zeit zwischen dem 18. und 20. April 1996 einen Videofilm, der unter anderem nachgestellte Hinrichtungs- und Vergewaltigungsszenen zum Inhalt hatte. An das Licht der Öffentlichkeit gelangten diese Videoaufnahmen jedoch erst im Laufe des vergangenen Jahres, als längst eine Kampagne wegen rechtsradikaler Vorfälle in den Reihen der deutschen Streitkräfte im vollen Gange war.
Aufgetan hatte das Bildmaterial der Fernsehsender SAT.1, der das Videoband von einem der beteiligten Urheber zum Preis von 2000 DM erwarb. Dieser wollte wohl die anhaltende Kampagne dazu nutzen, eben mal die schnelle Mark zu machen, indem er mit SAT 1 ins Geschäft kam.
Jedenfalls war dieses Video bestens dazu geeignet, der Diskussion um die verschiedenen Vorkommnisse in der Bundeswehr neuen Auftrieb zu verleihen. Mittlerweile führte dies zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages. Neben den üblichen einzuleitenden disziplinarischen Untersuchungen und Maßnahmen erstattete der Inspekteur des Heeres gegen die sechs Täter Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Schweinfurt.

Anklage

Die Anzeige lautete auf Unterschlagung von Übungsmunition, Betrug und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Von all dem blieb nur der Vorwurf der Unterschlagung von Übungsmunition als Lappalie übrig, die wiederum wegen Geringfügigkeit und mangels öffentlichen Interesses ebenfalls nicht mehr weiterverfolgt wurde. In allen drei Punkten wurde das Verfahren eingestellt.
Jedoch geschah dies nahezu unbeachtet von der publizierten Öffentlichkeit, so daß kaum jemand davon weiter besonders Kenntnis nahm. Das Rauschen im Blätterwald blieb aus, und auf den Bildschirmen war davon auch nicht eben viel zu vernehmen. Dabei müßte es den Mediengewaltigen, insbesondere auch denen von SAT 1, eigentlich die Schamröte ins Gesicht treiben, wie der Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Schweinfurt letztendlich mit wohltuender juristischer Nüchternheit das Video im allgemeinen und die daraus verbreiteten Szenen im besonderen rechtlich zu würdigen wußte.
Insgesamt zeigte das in Rede stehende Video mit einer Gesamtlaufzeit von 42 Minuten 27 verschiedene Szenen. Daraus waren in Sat.1 aus nur wenigen Szenen kurze Ausschnitte gezeigt worden, wobei der Originalton weitgehend durch den Kommentar eines Redakteurs ersetzt wurde. Der wesentliche Teil der Szenen war für den von SAT.1 verfolgten Zweck ohnehin nicht brauchbar, weil darin Werbefilme nachgestellt oder Satiren dargestellt wurden.

Keine rechtsradikalen Symbole

All dies soll die angeprangerten Darstellungen weder entschuldigen noch relativieren. Dennoch: Nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft sind jene Szenen beim besten Willen nicht dazu geeignet, die Bundesrepublik Deutschland oder die Bundeswehr in Mitleidenschaft zu ziehen. Eine Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole findet darin nicht statt. Es sind weder Uniformen der Bundeswehr zu sehen noch gar rechtsradikale Zeichen oder Devotionalien.

In jeder Videothek

Die Staatsanwaltschaft geht in ihren Ausführungen sogar noch weiter: Der Film sei weder Ausdruck einer Verherrlichung von Gewalt, noch enthalte er Verharmlosung der Gewalt oder ein Herunterspielen oder Bagatellisieren der Gewalt als alltägliche Verhaltensform.
Man kann nun darüber denken, wie man will: Objektiv betrachtet und an den disziplinarischen Maßnahmen der Bundeswehr gemessen bestand das Vergehen der damaligen sechs Soldaten darin, daß dieses Video auf dem Gelände eines Truppenübungsplatzes gefertigt wurde.
Der Inhalt ist mindestens ebenso verwerflich und abscheulich wie das, was jeder Bundesbürger im gängigen Angebot seiner Videothek an der Ecke findet und ausleihen oder käuflich erwerben oder eben bei vorgerückter Stunde bei Privatsendern wie etwa SAT.1 auf dem Bildschirm verfolgen kann. Mit Politik oder gar Extremismus jedoch hatte das ganze eigentlich überhaupt nichts zu tun.

U.M.