Politik

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Stellen sich die Grünen noch vor der Bundestagswahl ein Bein?

Eigentlich können wir uns alle die Bundestagswahl im September schenken, denn nach aktuellen Umfragen der Meinungsforschungsinstitute führt der Kanzlerkandidat der SPD, Schröder, haushoch. Zusammen mit dem programmierten Koalitionspartner, den Grünen, scheint eine Machtwechsel in Bonn mit einer satten Mehrheit ziemlich sicher - oder vielleicht doch nicht?

5 Mark

Die jüngste Diskussion um "5 Mark" für einen Liter Benzin und das Veto gegen die Verlängerung des Bosnien-Einsatzes der Bundeswehr ist symptomatisch für den innerparteilichen Zustand der grünen Partei. Man muß anerkennen, daß grüne Spitzenpolitiker, wie Joschka Fischer, seinerzeit erster Turnschuhminister dieser Republik, inzwischen durchaus salonfähig sind.
Sein großes Redetalent ist eine Zierde, was jeder bestätigt, der ihm schon einmal zugehört hat. Doch Fischer operiert nicht im luftleeren Raum. Zwar hat er inzwischen erkannt, daß der Strom nicht einfach nur aus der Steckdose kommt und auch die Außenpolitik gewissen Realitäten in der Welt angepaßt sein muß, doch auch er muß sich mitunter dem Votum der Parteibasis beugen.

Rückschlag für die Realos

Dies geschah jüngst, als der Sonderparteitag der Grünen einer Verlängerung des Bosnien-Einsatzes der Bundeswehr nicht zustimmte. Statt dessen sollten andere Wege als "militärische Gewalt" angestrebt werden. Was die Ohnmacht der Diplomatie jahrelang auf dem Balkan angerichtet hat, hat jeder noch in Erinnerung, so ist es auch verständlich, daß Fischer diese Entscheidung gegen den Strich ging.
Dies warf die Realo-Fraktion um Fischer weit zurück. Bis zuletzt hatte er versucht, die Fundamentalisten der Partei der Realität in der Welt anzupassen, doch die ließen sich nicht beeindrucken und schmetterten den Antrag mit einer Stimme Mehrheit ab.

Wunschdenken

Dies ist symptomatisch dafür, wie Politik bei den Grünen umgesetzt wird. Man wird den Eindruck nicht los, daß die Grünen in Umweltfragen zwar sehr kompetent zu agieren scheinen, daß aber bei vielen Delegierten das Weltbild in anderen drängenden Fragen der Politik "etwas" an der Realität vorbeigeht und mehr Wunschdenken der Vater des Gedankens ist. Dieses wird dann aber punktuell mit der parteipolitischen Brechstange durchgesetzt.
Jüngstes Beispiel ist der Beinahe-Zusammenbruch der rot-grünen Koalition in NRW, als es kabinettsintern um die Garzweiler-II-Frage ging. Dem drohenden Auseinanderbrechen des Bündnisses entging man nur, weil eine Lösung dieses Streitpunktes hinter die Bundestagswahl verschoben wurde. Der große Knall in NRW, besonders wenn Johannes Rau als Kitt der Koalition wegfällt, steht also noch bevor.

Chaos auf Bundesebene

Richtig spannend wird es dann, wenn es im Oktober, nach einem vorstellbaren Wahlsieg von SPD und Grünen auf Bundesebene, zu Koalitionsverhandlungen kommt. In Fragen wie Verteidigungs- oder Wirtschaftspolitik sind beide Parteien Lichtjahre auseinander. Mit dem roten Konservativen Gerhard Schröder und dem Grünen Hardliner Jürgen Trittin ist der Dauerkrach schon vorprogrammiert.

Trotzdem Respekt

Allerdings muß man den Grünen zugestehen, daß sie von allen Parteien das deutlichste Profil bieten. Die "5-Mark-Diskussion" erweist sich aber als Bumerang, weil eine konkrete Entlastung auf der anderen Seite durch Abschaffung der Kfz-Steuer nicht ersichtlich ist. Der Steuerberg würde also nur noch weiter wachsen, was wiederum Gift für die Konjunktur wäre.
Dies haben auch weite Teile der grünen Anhängerschaft mitbekommen. 5 Mark sind auch auf lange Sicht für Deutschland im Alleingang untragbar. Die einzige Konsequenz besteht in tausenden bankrotter Tankstellenpächter. Allerdings ist diese Vorgehensweise selbst unter einem Bundeskanzler Gerhard Schröder für die Grünen nicht durchsetzbar, denn schließlich will auch er noch einmal wiedergewählt werden.

Totgesagte leben länger

Doch bis es soweit ist, wird noch jede Menge Wasser in Bonn den Rhein herunterfließen. Bis dahin werden auch noch alle Parteien jede Menge Porzellan zerschlagen haben. Wie der Wähler darauf reagiert, ist spannend. Totgesagte leben länger, und vielleicht haben Grüne und SPD ein bißchen zu früh damit begonnen, das Fell des Bären zu verteilen.

MiWi