Editorial

Neue Fassung

Personeller Umbruch bei der CDU Leverkusen

Ein völlig unbeleckter Beobachter des öffentlichen Treibens der CDU Leverkusen hätte in den letzten Wochen kaum Sensationelles festgestellt. Am 5. November wurde als neuer Bundestagskandidat (mit 65:32 Stimmen) der Unternehmer Helmut Nowak gewählt. Der Beobachter hätte sich vielleicht ein bißchen darüber gewundert, daß die 100er-Versammlung auf eine Personaldebatte verzichtete. (Etwas amüsiert hätte er zur Kenntnis genommen, daß Helmut Nowak die Garagen von Bill Gates und Steven Jobs verwechselt hätte, aber das war ja wirklich zweitrangig.)
Zwar hatte der Gegenkandidat Bernhard Marewski die bessere Rede gehalten, aber offenbar brannte der Mehrheit der Delegierten das Thema "Standort Deutschland" dermaßen auf den Nägeln, daß man eher dem "ökonomischen Sachverstand" (Nowak über Nowak) traute. Unser Beobachter hätte diese Erklärung akzeptiert. Etwas verwundert hätte ihn höchstens, daß die Wahl beinahe ohne jede Kandidatenvorstellung über die Bühne gegangen wäre.
Wenige Tage später erklärte CDU-Parteichef Rudi Müller, nicht mehr antreten zu wollen, da die Fokussierung der CDU Leverkusen auf Wirtschaftsthemen mit ihm nicht zu machen sei. Als neuer Parteichef bot sich erneut Helmut Nowak an. Nun lag es am Kreisparteitag der CDU Leverkusen am 22. November, zwischen beiden Auffassungen zu entscheiden.

Kein öffentlicher Streit

Doch an diesem Tag, so hätte sich unser unbeleckter Beobachter gewundert, gab es nicht einmal den Ansatz einer großen Auseinandersetzung. Gewiß, Rudi Müller erntete mit einer starken Rede viel Applaus, aber dieser Rede war anzuhören, daß alle Spitzen und Seitenhiebe sorgfältig aus ihr entfernt waren.
Spätestens bei der Rede von Fraktionschef Klaus Hupperth wäre unser Beobachter vielleicht hellhörig geworden. Denn dieser griff nicht nur demonstrativ Bernhard Marewskis Sicht der (Wirtschafts-)Dinge auf, sondern bedauerte, daß seit Nowaks Bundestags-Kandidatur die offene Diskussion in der Partei den Gesprächen in kleinen Zirkeln gewichen sei.
Wie um das zu bestätigen, gab es auch auf diesem Parteitag keine Personaldiskussion. Und auch eine Kandidatenvorstellung hätte es beinahe nicht gegeben, eine Diskussion um den Vorsitzenden erst recht nicht.
Die Nowak-Gegner, wohl ebenso wie seine Befürworter in der Minderheit, hatten resigniert, und die allermeisten CDU-Delegierten waren der pragmatischen Ansicht, daß bei nur einem Kandidaten sich eine Diskussion erübrige. So wurde Helmut Nowak mit 114 von 157 gültigen Stimmen CDU-Vorsitzender (20 Nein, 20 Enthaltungen; 3 Stimmen hatten sich offenbar in die vierte Dimension verflüchtigt).

Erfülltes Frauenquorum

Die Stellvertreter (Thomas Eimermacher und Ursula Monheim) wurden mit recht beeindruckender Mehrheit gewählt. Erst bei den Beisitzern wurde es noch einmal spannend. Denn zum ersten Mal mußte hier das Frauenquorum angewandt werden. Gottseidank hatte man durch eine vorherige Satzungsänderung den Wahlgang vereinfacht, und die Delegierten zeigten sich äußerst frauenfreundlich.
Denn Hannelore Evertz, Marlies Münch-Rippel, Birte Rutenberg und Gisela Schumann stellen das Gros der Beisitzer. Neben ihnen wurden Joachim Dütsch (mit einem sensationellen Ergebnis), der ehemalige Sozialamtschef Rudolf Hoss und - der alte JU-Kämpe und Schrecken aller Parteitage, Rüdiger Scholz, gewählt. Peter Siefen und die beiden JU-Kandidaten Ulrich Wokulat und Andreas Naujoks dürfen sich als die ersten Opfer des Frauenquorums in Leverkusen fühlen.

Von langer Hand

Verlassen wir hier unseren unbeleckten Beobachter und beleuchten ein wenig die Hintergründe. Helmut Nowaks Wahl zum Bundestagskandidaten darf natürlich nicht losgelöst von seiner Wahl zum Parteichef gesehen werden.
Seine Unterstützer hatten verschiedenste Motive. Die einen wollten um jeden Preis Parteichef Rudi Müller entfernen, den sie als zu apathisch ansahen. Ein Bundestagskandidat Nowak war der ideale, weil erfolgversprechende Gegenkandidat. Manche seltsame Frontstellung im Streit um den Bundestagskandidaten (z.B. CDA) ist so zu erklären. All jene unterstützten Nowak nicht aus Überzeugung, sondern wollte den Wechsel um des Wechsels willen. Bernhard Marewski hatte aus dieser Sicht eben Pech.
Andere zielen auf die Zusammensetzung der Ratsfraktion und die Landtagsabgeordnete. CDU-Fraktionschef Klaus Hupperth ist einigen zu konziliant, die eine knallharte CDU-Opposition gegen Rot-Grün bevorzugen würden. Der neugewählte Vorstand hat einigen Einfluß auf die Zusammensetzung der neuen Ratsfraktion. Die Landtagsabgeordnete Ursula Monheim kam durch Rudi Müller in die Politik und gilt wieder anderen als zu sanft. Handfester persönlicher Ehrgeiz kommt hinzu.
Die stärkste Unterstützung genießt der neue Parteichef in seinem Ortsverband Schlebusch und in der (allerdings fast vernachlässigbaren) Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung.
Hoffnungen auf einen aktiveren CDU-Vorstand verknüpfen sich nach dem letzten Parteitag aber weniger mit dem Vorsitzenden oder den Stellvertretern, sondern mit Beisitzern wie Rüdiger Scholz, Joachim Dütsch oder Rudolf Hoss.
Helmut Nowak sollte sich keine Illusionen machen. Sein Rückhalt in der Partei ist eher schwach, und selbst ein Teil seiner Anhänger hat ihn nur als "kleineres Übel" unterstützt. Es liegt an ihm, sich diesen Rückhalt zu erarbeiten. Wenn er dabei die Leverkusener CDU nach vorne bringt, hat er jede Hilfe verdient - auch von bisherigen Gegnern. Wenn nicht, wird er in zwei Jahren abgeschossen werden.