Sport

Vielversprechender Neuanfang

Die neuen Bayer-Riesen spielen "Basketball mit Herz"

Einen dicken Schlußstrich wollte man in der Basketball-Abteilung von Bayer 04 Leverkusen unter die trotz der Halbfinal-Teilnahme ziemlich unerfreuliche Saison 1996/97 ziehen. Nach dem Abgang von Leistungsträgern der Meistermannschaft von 1996, begünstigt durch das "Bosman-Urteil", konnten die Neuzugänge die abgewanderten Koch, Welp, Harnisch und Co. nicht ersetzen. Der Auftritt in der Europaliga mit nur zwei Siegen in sechzehn Spielen war ernüchternd und auch auf nationaler Ebene folgten dem frühen Aus im DBB-Pokal wenig berauschende Leistungen in der Meisterschaft. Als auch noch der Hauptsponsor des Vereins erklärte, an eine Erhöhung des Etats für die Basketball-Abteilung sei in nächster Zeit nicht zu denken, kündigte Chef-Trainer Dirk Bauermann an, er wolle für die nächste Saison ein neues Konzept vorstellen: Junge, erfolgshungrige Talente statt erfahrener und eingespielter, aber dafür (finanziell) anspruchsvoller Spieler.

Da waren's nur noch drei

Der Schlußstrich ist gelungen: Bis auf Denis Wucherer (24) und den beiden Nachwuchsspielern Dragan Karanovic (19, Junioren-Nationalspieler) und Goran Kovacev (18, U22-Nationalspieler) blieb aus der alten "Ersten" niemand im Bundesliga-Kader. Bauermanns Konzept wurde so gut wie möglich verwirklicht: Mit Gerrit Terdenge (22), Alexander Kühl (24) und Jürgen Malbeck (23) wurden gleich drei aktuelle Nationalspieler verpflichtet, die nach ihren Jahren an US-Colleges nun in der Bundesliga Fuß fassen möchten. Dazu konnten mit Axel Pleuger (19) und Matthias Weber (17, Junioren-Nationalspieler) zwei vielversprechende Leverkusener Eigengewächse verpflichtet werden. Aus Finnland kam A-Nationalspieler Maurizio Pratesi (22), die beiden Nicht-EU-Spielerpositionen wurden mit Dwayne Morton (26) und Rahsaan Smith (24) besetzt. Für die Aufbauposition wurde der in der Bundesliga wohlbekannte Derrick Taylor (33, zuletzt in Deutschland bei Bayreuth) unter Vertrag genommen, der inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt
Mittlerweile sind sowohl in der Bundesliga als auch im EuroCup, wo die "Riesen vom Rhein" dieses Jahr international antreten, mehrere Spieltage absolviert. Wie bei einem neu zusammengestellten, unerfahrenen Team kaum anders zu erwarten, gleicht die Leistungskurve derzeit einer Achterbahn. Klaren, beinahe deklassierenden Siegen gegen Bayreuth, Oberelchingen und die Ruhr Devils (ex TuS Herten) folgten ebenso deutliche Niederlagen etwa in Hagen und Bonn. Und selbst in den schließlich mit einem Sieg abgeschlossenen Spielen mußten zeitweilige Leistungseinbrüche mit kampfbetonten Aufholjagden wieder wettgemacht werden. Sich auf Situationen, wie z.B. ein Hexenkessel in Bonn, schlechte Schiedsrichter gegen Oostende oder ein Land nach dem Bürgerkrieg in Tuzla, perfekt einstellen zu können, dazu gehört eine Menge Erfahrung. Sowohl für jeden Spieler allein, als auch für die Mannschaft als ganzes.

Kämpfertypen gefragt

Dennoch deutet das bisher gezeigte darauf hin, daß das Konzept von Trainer Dirk Bauermann in die richtige Richtung weist. Die Spieler sind hochmotiviert: Verlorene Bälle werden nicht hingenommen, sondern zurückerkämpft. Auch bei zwanzig Punkten Rückstand lassen die "Riesen vom Rhein" den Kopf nicht hängen.
Wenn man den Verantworlichen der Basketball-Abteilung im letzen Jahr ein verfehlte Einkaufspolitik vorwerfen wollte, dieses Jahr dürfte es dazu keinen Anlaß geben. Ein Beispiel dafür ist Gerrit Terdenge: Er wirft gut aus der Distanz, ist stark im Rebound und vor allem der Kämpfertyp, der ein Spiel rumreißen kann. Oder Rahsaan Smith: Schießt gut vom Flügel und sorgt als Stimmungskanone für die passende Atmosphäre in der Halle und im Team. Bei soviel "jungem Blut" ist es wichtig, daß Denis Wucherer mit Derick Taylor ein erfahrener Aufbauspieler zur Seite gestellt wurde, der in der Hitze des Gefechts den Überblick behält.

Entwicklungsfähiges Team

Was an Einzelleistungen bereits hervorsticht, muß in der Mannschaft noch optimal zusammenwachsen. Doch auch hier werden den Zuschauern in der Leverkusener Rundsporthalle immer wieder Kostproben gegeben, die Appetit auf mehr machen: Sahnepässe, Fast-Breaks und Alley-Hoops holen die Fans regelmäßig von den Stühlen.
Die schwächste Position bei Bayer 04 ist derzeit noch die auf der Tribüne. Wenngleich die Mannschaft von den pro Spiel anwesenden 800 bis 1000 Zuschauern lautstark unterstützt wird, ist dies für eine Mannschaft, die mittelfristig wieder zurück an die Spitze will, auf Dauer recht wenig. Wenn sich aber die "beherzte" Spielweise der "jungen Wilden" herumspricht, werden sicherlich bald wieder mehr Fans in die Halle kommen. (Spieltermine und News im WWW unter www.leverkusen.com/bayer04).

M.W.