Politik

Realsatire?

Rächtschreibreform oder Deutschland vor der babylonischen Sprachverwirrung

Sind wir wirklich so doof, oder wird es uns nur eingeredet? Die Kulturpolitiker (nicht zu verwechseln mit der Abstammung von politischer Kultur) haben bei den Schülern Schwächen bei der Muttersprache festgestellt.
Oder haben die Kultusminister die Schwierigkeit der deutschen Sprache festgestellt? Genau läßt sich das nicht mehr klären, jedenfalls wurde eine Reform beschlossen. In schöner Gemeinsamkeit mit Österreich und der Schweiz - die diese Sprache ebenfalls verwenden und anscheinend auch nicht beherrschen - ging man an die Vorbereitung dieses Reformwerks.
Es gingen Jahre ins Land. Aus den Jahren wurden Jahrzehnte. Es wurde am Rande immer mal wieder über das Thema berichtet, aber mit dem nötigen Ernst hat niemand die Diskussion geführt, von entschlossenem Widerstand ganz zu schweigen.

Mehrere Reformversionen

Als dann die ersten Stilblüten der Reform auftauchten ("Keiser", "Bot"), regte sich auch bei den Kultusministern Bedenken. So konnte es das katholische Bayern (natürlich) nicht akzeptieren, daß der "Heilige Stuhl" demnächst zum "heiligen Stuhl" degradiert würde. Was folgte, war die Reform der Reform.
Und genau hier muß sich ein entscheidender Fehler eingeschlichen haben. Denn die Schul- und Wörterbuchverlage hatten - in vorauseilendem Gehorsam oder in Erwartung eines ertragreichen Geschäftes - die zu erwartende Reform in Buchform dem Normalbürger zugänglich gemacht. Leider hat nun jeder Verlag seine eigene Version der Rechtschreibreform, also deutsche Sprache nach Duden, oder nach Bertelsmann oder Langenscheidt usw.
Fazit: Kein Mensch ist nun über die richtige Rechtschreibung informiert, weil die Verlage mit Impertinenz behaupten, ihre Version sei die richtige.

Fehlende Akzeptanz

Dies erinnert nun wieder an die Politik, speziell an die der Parteien. Leider haben sie diese Entwicklung verschlafen. Selbst der Generalsekretär der in Interpunktionsfragen so fortschrittlichen F.D.P., Guido Westerwelle, versäumte es, sich vehement für Schifffahrt (mit 3 f) einzusetzen. Peter Hintze hätte sich für die ursprüngliche Version "heiliger Stuhl" einsetzen können (als ehemaliger evangelischer Pfarrer besteht er nicht auf Großschreibung einer katholischen Institution), Herr Müntefering würde im Auftrag Lafontaines alles blockieren, ohne selbst eine vernünftige Alternative anzubieten. Auch der CSU wäre geholfen, kann man diesen Reformstau doch wirklich nicht ihrem Parteivorsitzenden Theo Waigel anlasten.
Doch zurück zur bitteren Realität: Sprache ist etwas Lebendiges. Richtigerweise stellte das Oberverwaltungsgericht Schleswig fest, daß sich Sprache nicht durch Gesetze reglementieren läßt (leider kam das OVwG zum falschen Schluß, daß daher für die Rechtschreibreform auch kein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren notwendig sei).
Nun leben aber Gesetze von der Akzeptanz. Entweder wird bei Nichtbeachtung eines Gesetzes eine Sanktion fällig (wie im Strafrecht), oder aber die Menschen müssen ein Gesetz aus freien Stücken einsehen. Aber laut Meinungsumfragen lehnen über 70% der Bevölkerung die Rechtschreibreform ab. Sanktionen gibt es keine, also können die Befürworter der Reform nur auf eine sich langsam durchsetzende Änderung in der Folge des Generationenwechsels hoffen.

Trennendes Element

Millionen vorhandener Bücher bleiben weiterhin in der vorhandenen Rechtschreibung bestehen, Millionen von Menschen werden und wollen nicht umlernen.
Somit wird es über einen Zeitraum von 50-60 Jahren zwei Sprachen in Deutschland geben - nach der Wiedervereinigung endlich wieder ein trennendes Element. Böse Zungen behaupten ja sowieso, die Politiker sprächen eine andere Sprache, aber soll nun dieses auch noch durch Duden und Konsorten dokumentiert werden?
Es bleibt zu hoffen, daß dieser Blödsinn baldmöglichst vom Tisch geschafft wird. Ein führendes Mitglied der Reformkommission, Prof. Munske aus Erlangen, distanziert sich inzwischen von der Reform sowie von der Reform der Reform. Er spricht von einem "Vereinfachungswahn, der sprachbewußte Leser empört - mit Recht".

Mathereform?

Vielleicht sollten die Kultusminister sich wieder um ihre eigentlichen Aufgaben kümmern. Lehrinhalte sollten überprüft und wieder mehr Wissen vermittelt werden - die Schwierigkeiten von Schulabgängern auf dem Lehrstellenmarkt liegen auch an mangelhaften Schulabschlüssen.
Übrigens: Internationale Studien haben ergeben, daß ein viel größerer Prozentsatz der Menschheit Schwierigkeiten mit der Mathematik hat. Wie wäre es also mit einer Mathematikreform? 1+1=2 - das ist doch Schnee von gestern!

K.R.