Politik

Sparschwein Polizeibeamter?

Über den Sparwahnsinn im öffentlichen Dienst

Die öffentlichen Kassen sind leer. Das ist nichts Neues, denn nicht nur der Bundesfinanzminister stellt jedes Jahr einen neuen Verschuldungsrekord auf, sondern auch die Länder drehen jetzt jede Mark zweimal um. Da fällt die Suche nach neuen Einsparungsmöglichkeiten schwer, und bisher heilige Kühe werden geschlachtet.
Populärstes Sparopfer ist in diesen Tagen der deutsche Beamtenapparat. Durch gezielte Hänseleien seitens der Politik, vermischt mit Vorurteilen, kommen jegliche Sparpläne in Zeiten einer angespannten Arbeitsmarktlage bei der Bevölkerung gut an. So planen einige Bundesländer, das Urlaubsgeld ganz und das Weihnachtsgeld um 50% zu kürzen. Fängt ein Bundesland damit an, ist es nur eine Frage von Wochen, bis andere Bundesländer nachziehen. Desweiteren soll die Lebensarbeitszeit für Beamte heraufgesetzt werden.
Schlußpunkt für alle Beamten soll ein Gehaltsabschlag sein, der zur Finanzierung der Beamtenpensionen verwendet werden soll. Besonders der letzte Sparpunkt ist vollkommen unverständlich. Ein Beamter verdient gemessen an seinen nicht beamteten Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst einen relativ niedrigen Bruttobetrag. Ausgleich dazu war eine Befreiung von Sozialabgaben. Mit dem nicht ausgezahlten Differenzbetrag sollten eigentlich die Pensionen bezahlt werden.

Doppelte Pensionszahlungen

Doch von den verantwortlichen Regierungen wurden jahrzehntelang keine Rücklagen gebildet. Nun soll der Beamte quasi noch einmal in die Tasche greifen und noch einmal für seine Pensionen bezahlen. Und dann? In Zeiten leerer Kassen ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis irgendeine Regierung auch auf diesen Finanztopf zurückgreift, um Haushaltslöcher zu stopfen, und die Beamtenversorgung wäre wieder gefährdet. Vergleichbare Fremdeingriffe in die Rentenkasse durch die Bundesregierung waren da nur der erste Schritt.
Schon verwirklicht ist seit dem 1.7.1997 eine Reform der Beamtenbesoldung, welche für die über 40jährigen Beamten z.T. rapide Einkommensverluste bedeutet. Zwar wird dies durch eine Ausgleichszahlung abgefangen, aber etwaige Gehaltserhöhungen durch Beförderungen bzw. Aufstieg in eine höhere Dienstaltersstufe werden durch eine gleichzeitige Senkung der Ausgleichszahlung aufgefressen. So haben besonders die älteren Beamten für 10 Jahre nicht einmal die Aussicht auf Inflationsausgleich. So sieht also die motivationsorientierte Besoldungsreform des Bundesinnenministers aus.
Wären die oben genannten Einsparungen auch hart, sie wären noch zu verkraften. Doch einige Bundesländer und Bundesfinanzminister Waigel wollen bei einigen Beamten noch weitergehen. Auf dem Prüfstein steht nun alles (und alles gleichzeitig). So plant Finanzminister Waigel eine Besteuerung von Nacht- und Feiertagszuschlägen. Dies würde bei den Beamten besonders Feuerwehrleute und Polizeibeamten treffen, die sich zumeist im mittleren bzw. in den unteren Gehaltsstufen des gehobenen Dienstes befinden und damit nicht gerade zu den Spitzenverdienern zählen.
Von den "fürstlichen" Nacht- und Feiertagszuschlägen (zwischen 1,50 und 4,50 pro Stunde) fällt damit ein Löwenanteil dem Fiskus zum Opfer.
Nächster Sparpunkt ist der Wegfall der Ruhegehaltsfähigkeit und mittelfristige Abschaffung der Polizeizulage. Diese wird deshalb gezahlt, um den vermehrten Belastungen und Gefährdungen des Polizeidienstes Rechnung zu tragen. Wegfall der Ruhegehaltsfähigkeit heißt, daß dieser Betrag (in NRW ca. 242 DM) nicht mehr zur Berechnung der Pensionen herangezogen werden soll. Also eine weitere Pensionskürzung durch die Hintertür.
Herbster Schlag für Polizeibeamte ist aber die Heraufsetzung der Lebensarbeitszeit von derzeit 60 auf bis zu 63 Jahre. Hintergrund für dieses Ruhestandsalter sind die vermehrten Belastungen des Schichtdienstes über einen langen Zeitraum. Dies wurde bisher auch seitens der Innenminister nicht bestritten.
Die Änderung sieht jetzt so aus, daß nur noch derjenige mit 60 in Pension geht, der zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr 10 Jahre Wechselschicht geleistet hat. Dies heißt umgerechnet: Ein Polizeibeamter, der seit seinem 20 Lebensjahr 30 Jahren Schichtdienst geleistet hat und mit 50 Jahren seinen verdienten Tagesdienstposten bekommt, muß nun drei Jahre dranhängen, während sein Kollege, der zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr 10 Jahre Schichtdienst geleistet hat ("Opa auf dem Streifenwagen!") und vorher gar nicht, mit 60 in Pension geht. Man muß sagen: Eine geniale und gerechte Reform!

Stimmungsmache und Tiefschläge

Auch dies wäre noch hinnehmbar, wenn die einzelnen Ministerpräsidenten überhaupt wüßten, wovon sie reden. Die Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein ist zusätzlich noch für die Abschaffung der "Staatlichen Heilfürsorge der Polizei". Sie sieht dies als ungerechtfertigtes Privileg für eine einzelne Berufsgruppe an. Daß die Kosten der Heilfürsorge weit unter den dann zu zahlenden Zuschüssen für die gesetzlichen Krankenkassen liegen, ist Frau Simonis entweder gar nicht bewußt, oder sie verschweigt es aus Stimmungsmache mit Absicht.
Gewürzt wird das ganze mit peinlichen Tiefschlägen seitens der politisch gelenkten Massenmedien. Eine "Report"-Sendung des Südwestfunks am 14. Juli, die sich des Themas annahm, trieb es mit gezielten Halbwahrheiten und Polemik auf die Spitze. Da war von "ständig unterforderten Polizisten" die Rede, die die meiste Zeit faul auf der Wache rumhängen, sinnlos Steuergelder verprassen und nicht soviel leisten, wie sie eigentlich könnten. Prima, kann man da nur sagen!
Demnächst, wenn immer mehr "Management" und "produktorientiertes Handeln" bei der Polizei Einzug hält, ärgern wir uns nur noch darüber, daß die Straftäter dann nicht ihre Verbrechen begehen, wenn genügend Polizei vor Ort ist, damit diese keinen Leerlauf haben.
Es wäre doch erheiternd, wenn der Bürger X 110 wählt und er zu hören kriegt, daß jetzt leider kein Streifenwagen zu ihm herauskommen kann, weil Statistiken gezeigt hätten, daß eigentlich heute keine Straftat mehr stattgefunden haben dürfte.
In derselben "Report"-Sendung werden dann auch noch demonstrierende Polizeibeamte, die ihr einziges Recht, auf solche Mißstände aufmerksam zu machen, wahrnehmen, als irgendwelche Hansels dargestellt, die nur dem Bürger Angst einjagen wollten.
Krönung war die Demonstration gegen diese Sparpläne am 1. Juli in Bonn, als der Bonner Polizeipräsident 2000 friedlich in Uniform demonstrierenden Polizisten 600 mit Kampfanzügen ausgestattete Kollegen gegenüberstellte, als ob er es mit einer Horde steinewerfender Krimineller zu tun gehabt hätte. Welch ein Vertrauen in die eigenen Beamten und eine sinnlose Verschwendung von Steuergeldern!
Fazit: Sparen muß sein und wird in dieser Republik bei keinem auf besondere Freude stoßen, aber es sollten nicht nur einige Berufsgruppen bluten müssen. Gehaltskürzungen um bis zu 20% hat noch keine Berufsgruppe hinnehmen müssen. Der Versuch, Geld bei Beamten zu sparen, die nicht streiken dürfen, und Arbeiter und Angestellte relativ ungeschoren zu lassen, zeigt, wohin die Entwicklung führt. Die Folgen im Beamtensektor sind vorgezeichnet: Die Klischees vom faulen Beamten werden wohl an Wahrheit gewinnen, denn mit der Arbeitsmotivation geht es nun sicherlich in den Keller.

MiWi