Leverkusen

Privatisierung und Beutekunst

Überraschende Schwerpunkte des CDU-Kreisparteitages

Keine Sorge, die CDU betrachtet Privatisierung keineswegs als die Kunst, Beute zu machen (wie die Überschrift suggerieren könnte), sondern versuchte in einem eigenen Papier, das unter ziemlichen Aufwand von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des emsigen CDU-Vorstandsmitglieds Joachim Dütsch erarbeitet wurde, sich diesem tückischen Thema zu nähern.
Dabei war es den Autoren des Papieres offenbar so gründlich gelungen, die Knackpunkte zu übertünchen oder mit Kompromissen abzufedern, daß das Papier auf dem Parteitag am Samstag, dem 26. April in Wiesdorf, nach nur kurzer Diskussion mit klarer Mehrheit angenommen wurde.
Positiv muß vermerkt werden, daß die CDU
  • sich entschieden gegen die Tendenzen stellt, die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Kommunen noch auszuweiten;
  • den Wettbewerb als wichtiges Element der Privatisierungsdiskussion begreift;
  • auch die Grenzen der Privatisierung im kommunalen Bereich absteckt (aber nicht zu eng).
Hingegen lahmt das Papier ganz klar, wo es um konkrete Handlungsvorschläge geht. Dies kann aber bei der Vorbereitung nicht überraschen: die meisten Mitglieder der Arbeitsgruppe hatten irgendwelche Lieblingsobjekte (AWL, WGL, IVL etc.), die ihrer Meinung nach auf keinen Fall privatisiert werden sollten oder konnten.
Aber immerhin werden die IVL, aber auch bisherigen Verwaltungsbereiche wie das Grünflächen-, Friedhofs-, Bau- und Katasteramt zur Privatisierung vorgeschlagen. Für die AWL wird eine 50%-Regelung vorgeschlagen - mehr war leider nicht durchsetzbar, was bei diesem politisch äußerst empfindlichen Thema nicht verwundert. Zur Privatisierung der Sparkasse hielt sich die CDU Leverkusen zurück, was auch vernünftig war, denn bisher gibt es auch landesweit hierzu kein überzeugendes Konzept.
Vor der Beschlußfassung dieses Papieres hatte CDU-Fraktionschef Klaus Hupperth eine "Halbzeitbilanz" gezogen. Während er im ersten Teil dieser Rede bewies, daß vermutlich kein CDU-Politiker in dieser Stadt gescheiter CDU-Politik philosophisch begründen kann, blieb der auf das Konkrete bezogene Teil der Rede eher geschäftsmäßig. Kinopolis, Freizeitbad, Jazztage, Landesgartenschau - das riß die Delegierten nicht vom Hocker.
Es wurde deutlich - besonders nach Hupperths Kritik am Abbau des Bayer-Standortes Leverkusen -, daß in der Kommunalpolitik zur Zeit keine besonderen Lorbeeren geerntet werden können. Immerhin ist die Union die eindeutig kompetenteste und energischste Partei bei der Wirtschaftsförderung.
Weitere Anträge auf dem Parteitag betrafen die Besteuerung von Lebensversicherungen (dagegen waren fast alle) und die Besteuerung der Zuschläge von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit.
Gegen diesen Plan aus Waigels Steuerreform hatten CDA und Wirtschaftsvereinigung gemeinsam einen Antrag eingebracht.
Und dieser Punkt entfachte eine weit heftigere Diskussion als das Privatisierungspapier. Während die Befürworter des Antrages und Gegner der Besteuerung die Belastungen der Schichtarbeiter und die womöglich indirekt steigenden Lohnnebenkosten ins Feld führten, beschworen die Gegner des Antrages und Befürworter der Besteuerung die Grundidee der Steuerreform: Ausnahmetatbestände sollten abgeschafft, die Bemessungsgrundlage verbreitert und dafür die Steuersätze gesenkt werden. Hauchdünn setzten sich dann die Antragsteller durch (54:52).
Ein Antrag der Jungen Union, die Bundesrepublik solle die wirtschaftlichen Beziehungen zu Rußland einfrieren, wenn das russische Parlament auf der Konfiszierung der 1945 aus Deutschland geraubten Kunst bestehe, wurde ebenfalls heftig diskutiert, auch wenn einige Delegierte nicht einsahen, was dieses Thema auf einem CDU-Kreisparteitag verloren hatte. Ihnen wurde klargemacht, daß eine Entscheidungsfindung in einer Partei beziehungsweise in der Gesellschaft von unten nach oben laufen sollte. Der JU-Antrag hatte dennoch keine Chance, weil die CDU zwar die Rückgabe fordert, aber nicht bereit ist, den zwischenstaatlichen Handel dafür aufzugeben - und das bedeutete die geforderte Einstellung der Gewährung von Bürgschaften.
Dieser CDU-Parteitag zeigte eine durchaus diskussionsfreudige Partei. Interessant war auch, wie in der Union Personalfragen behandelt wurden. Während die Kandidatur von Paul Hebbel für das Amt des Oberbürgermeisters schon heute, zweieinhalb Jahre vor der nächsten Kommunalwahl, laut verkündet wird, ohne daß es einen offiziellen Gremienbeschluß dazu gegeben hätte (wobei allerdings niemand in der Partei am Kandidaten und seiner Kompetenz zweifelt), wird die Frage nach dem nächsten Bundestagskandidaten laut beschwiegen, obwohl sie zeitlich viel näher liegt.
Warum aber zeigt sich der Chef der Wirtschaftsvereinigung, der Unternehmer Helmut Nowak, plötzlich so interessiert an gemeinsamen Anträgen mit der CDA (s.o.) und anderen Vereinigungen, nachdem man jahrelang von dieser Gruppe kaum etwas gehört hatte? Oder gilt noch das nach der letzten Wahl gesprochene Wort Rudi Müllers, man wolle nicht jedesmal einen neuen Kandidaten aufstellen, was auf den "alten" Kandidaten Bernhard Marewski hinausliefe? Man darf gespannt sein.

G.D.