Leverkusen

Freizeitpark Lev?

Wo die neuen Arbeitsplätze entstehen

Manch einem ist sicherlich noch des Kanzlers Wort vom "Kollektiven Freizeitpark" im Gedächtnis haften geblieben. Diese (ironische) Äußerung hatte Helmut Kohl seinerzeit geharnischte Kritik eingebracht, vor allen Dingen von Seiten der Gewerkschaften.

Krise durch Arbeitslosigkeit

Seit diesem Ausspruch hat sich die Situation in der Bundesrepublik weiter drastisch verschlechtert. Die Arbeitslosenzahl liegt bei gut 4,5 Millionen, die Rente ist alles andere als sicher, und mit dem Taumeln des Generationenvertrages wird auch die Krise der übrigen sozialen Sicherungssysteme immer offensichtlicher. Letztendlich reduziert sich alles auf die Frage, wie lange eine derart hohe Arbeitslosigkeit finanzierbar und mit allen verbundenen Konsequenzen von unserer Gesellschaft durchzuhalten ist.
Also gilt es, Arbeitsplätze zu schaffen. Von dem Ziel, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren, ein weiteres Wort des Kanzlers, ganz zu schweigen. Währenddessen baut die Industrie, besonders führende Konzerne, weiterhin Arbeitsplätze ab. Die ortsansässige Bayer AG macht da keine Ausnahme. Rund tausend Arbeitsplätze stehen republikweit allein 1997 zur Disposition, die meisten davon am Stammsitz Leverkusen.
Aber nicht nur bei der Bayer AG, ebenso in anderen Branchen und Betrieben gehen Arbeitsplätze für Leverkusen verloren. Dabei stehen inzwischen wiederaufbereitete Industriebrachen für Neuansiedlungen zur Verfügung, an erster Stelle der künftige Industriepark Leverkusen (IPL), und selbst innerhalb des Bayerwerkes bemüht man sich, große Freiflächen an externe Interessenten zu vermarkten - bislang nur mit mäßigem Erfolg.
Ohne Frage sind die Zeiten der großen Würfe hinsichtlich Industrie- und Gewerbeansiedlungen lange vorbei. Leverkusen steht hier im unmittelbaren Wettbewerb mit anderen Kommunen. Dabei hat unsere Stadt angesichts der herrschenden Monostruktur der chemischen Industrie noch einen regelrechten Strukturwandel vor sich. Fragt sich nur: In welche Richtung? Was waren die geplanten oder jüngst vollendeten Gewerbeansiedlungen in unserer Stadt?
Da eröffnete im vergangenen Jahr ein Möbelhaus einen Palast aus Glas und Marmor, ein wahrer Konsumtempel - inklusive Parkhaus und benachbartem Logistikzentrum. Unlängst erfolgte der erste Spatenstich für das künftige Multiplex-Kino namens Kinopolis. Gleichzeitig entsteht auf dem Gelände des ehemaligen konventionellen Hallenbades Bismarckstraße ein zeitgemäßes Freizeitbad, im Volksmund auch Spaßbad genannt.

Hohe Burger-Dichte

In direkter Nachbarschaft des künftigen Spaßbades kann man neuerdings auch in die Filiale einer amerikanischen Imbißkette unterhalb der östlichen Tribüne des Ulrich-Haberland-Stadions einkehren. Welche Stadt vergleichbarer Größenordnung kann sich rühmen, innerhalb ihrer Grenzen mit gleich drei McDonald's aufzuwarten?
Das Stadion inmitten des Sportparks rückt ohnehin in den Mittelpunkt geplanter Investitionen der Bayer AG - ein weiterer Schritt vom reinen Mäzenatentum hin zur Vermarktung des Sports. An der Nordtribüne ist ein Hundertzwanzig-Betten-Hotel mit integriertem Tagungs- und Konferenzzentrum in der Planung.
Die durch den bayerbezogenen Sport angestoßenen Investitionen sollen sich mittelfristig auf einen fast dreistelligen Millionenbetrag zubewegen. Bleibt zu hoffen, daß bei zukünftigen Investitionsentscheidungen der Bayer AG der Schwerpunkt mehr auf Brot denn auf Spielen liegt.
Aber Zynismus einmal beiseite. Natürlich ist jede der vorgenannten Investitionen in und für unsere Stadt durchaus wünschenswert, schafft im begrenzten Ausmaß Arbeitsplätze und trägt zum Steueraufkommen der Stadt bei, wenngleich hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten die Zahl der qualifizierten Positionen sehr gering ausfallen dürfte und sich das meiste wohl auf 610-DM-Basis pauschal ohne Sozialversicherungspflicht abspielt.
Bedenklich erscheint nur der anhaltende Trend, den eben diese Investitionen aufweisen. Ein weiterer Beleg dafür mögen die wie Pilze aus dem Boden schießenden Baumärkte sein. Dabei macht die Zahl der älteren Menschen in Leverkusen schon knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus. Nimmt man einmal diejenigen hinzu, die in den vergangenen Jahren über Vorruhestandsregelungen unter Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen zu Versorgungsempfängern geworden sind, dürfte der Anteil der faktischen Rentner in Leverkusen nochmals um einiges höher liegen.
Dagegen hat der Bevölkerungsanteil der Erwerbstätigen inzwischen einen historischen Tiefstand erreicht.
Trotzdem sind wir auf dem besten Wege, in dieser Stadt die Infrastruktur, sprich die Voraussetzungen für einen kollektiven Freizeitpark zu schaffen. Aber für wen? Rentner, Arbeitslose und schlecht verdienende Mitbürger dürften kaum zur Stammkundschaft von Spaßbad und Fast Food-Restaurants zu rechnen sein. Und wer kann sich schon alle Nase lang ständig neu einrichten?