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"Der Richter und sein Henker"

von Friedrich Dürrenmatt

Warum nicht einmal in einem richtigen Kriminalroman schmökern? Wem die allwöchentlich auf den diversen privaten und öffentlich rechtlichen Kanälen ausgestrahlten Streifen nach "Schema F" 'a la "Columbo" auf den Geist gehen, wer aber trotzdem eine Schwäche für Kriminalgeschichten hat, dem wird das besprochene Buch vielleicht gerade richtig kommen.
Zumal es neben dem passenden Taschenbuchformat noch in einundzwanzig von der Länge gerade passende Kapitel gegliedert ist, so daß es sich problemlos in Bus und Bahn, beim Warten auf dem Amt oder sonstigen alltäglichen Gelegenheiten lesen läßt. Die Gliederung rührt daher, daß der inzwischen Weltliteratur gewordene Roman zu seiner Entstehungszeit (1950) reine Brotarbeit für den Autor von Bühnenwerken wie "Die Physiker" oder "Der Besuch der alten Dame" war. Er brauchte Geld und ließ daher sein Werk als Forts etzungsroman im "Schweizerischen Beobachter" veröffentlichen.

Die Story

In der Geschichte geht es um den Tod des Berner Polizeileutnanten Ulrich Schmied, der eines Morgens tot in seinem Wagen in der Nähe eines Orts im Schweizer Jura aufgefunden wird. Just sein Vorgesetzter, Kommissär Hans Bärlach, wird mit der Aufklärung des Mordes beauftragt. Bärlach ist ein erfahrener Kriminalist, der auch schon außerhalb der Schweiz im Polizeidienst gestanden ist. Er ist schwer erkrankt und hat nur wenig Zeit, den Fall aufzuklären, da er in Kürze operiert werden muß.
Zu seiner Unterstützung wählt sich Bärlach den jungen, aufstrebenden Polizeibeamten Tschanz aus. Dieser verzweifelt immer wieder beinahe an den sonderbaren Methoden seines Vorgesetzten. Bärlach hält nämlich wenig von den "modernen kriminalistischen Methoden" und verläßt sich viel lieber auf seinen Instinkt. Bei seinen Ermittlungen trifft Bärlach auf die Spur seines Erzrivalen Gastmann. Dieser ist ein Berufsverbrecher, den der Kommissär während seiner langen Karriere immer wieder vergeblich zu überführen gesucht hat...
"Der Richter und sein Henker" ist Lesespaß pur. Aus dem oben genannten Entstehungsgrund ist Dürrenmatts Sprache in diesem Roman leicht verdaulich. Trotzdem schafft es der Autor, die Stimmung um das Geschehen in der Schweizer Bundeshauptstadt und den Juraörtchen Twann und Lamboing an den Leser zu bringen. In der Figur des Kommissär Bärlach wird der Leser vielleicht seine Vorstellung vom "Urschweizer" wiederfinden: stur, kauzig und pflichtbewußt.

Die Kritik

Trotz der vielen Klischees, die auf den Inhalt des Kriminalromans passen, wird derselbige nicht langweilig. Die unkonventionellen Methoden des Kommissärs geben der Geschichte ein ums andere Mal eine überraschende Wendung. Zum Schluß muß der Leser selbst erst einmal seine Gedanken ordnen, um nachvollziehen zu können, wie Bärlach schließlich zur Aufklärung des Mords kommt.
Daß der Roman trotz seines Unterhaltungscharakters nicht flach und oberflächlich bleibt, kann der Leser anhand von Rezensionen und Interpretationen nachvollziehen, die im Anhang der vorliegenden Ausgabe abgedruckt sind. Kurz und gut kann das Buch jedem Krimifan wärmstens empfohlen werden, der ein paar Mark fünfzig übrig und in seiner Schul-, Arbeits- oder Jackentasche noch Platz für ein Taschenbuch hat.


Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker, Diogenes Verlag AG Zürich, ISBN 3-257-22535-0, DM 8,80.

M.W.