Politik

Kommunalwahlen in Hessen

Überraschung? Allerdings! Wenn eine Regierung derart viele überfällige Reformen gleichzeitig in Angriff nimmt wie die Regierung Kohl und dabei nicht gerade geschickt vorgeht, wenn die Kanzlerdämmerung ausgerufen wird und Waigel seine Steuerreform immer noch nicht gegenfinanziert hat - dann ist ein landesweiter Anstieg von 1% für die CDU fast eine Sensation.
Doch wahrscheinlich täuscht diese Perspektive. Beispiel Frankfurt: Die ziemlich populäre CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth gelang es, mit ihrem Prestige ihre Partei zu stärken - ohne daß sich in der Stadt viel ändern wird, denn Frankfurt ist chronisch pleite und wird gezwungenermaßen von einem schwarz-rot-grünen Magistrat regiert.
Beispiel Kassel: Nachdem vor vier Jahren die SPD dort eine der katastrophalsten Niederlagen einer Partei bei einer Kommunalwahl (-20%) kassiert hatte, konnte sie nun 6% zulegen - eine wahrscheinlich normale Reaktion, nachdem sich die Kasseler nicht mehr über die dogmatische Anti-Auto-Politik der SPD ärgern mußten.
Allgemein ist wohl festzuhalten, daß die Bürger stärker nach kommunalen Kriterien abgestimmt haben. Das ist ein ebenfalls erfreuliches Ergebnis.
Nur die FDP kam unter die Räder. Daß sie selbst in Frankfurt mit dem Spitzenkandidaten Ignatz Bubis (der immerhin auch schon mal als Bundespräsident im Gespräch war) nur so gerade über 5% landete, unterstreicht den Niedergang der Liberalen in den Kommunen.

Erfolgreich in den Abgrund

Spätestens im Mai wird es in Großbritannien Wahlen geben. Das Ergebnis dürfte feststehen: Labour wird die Konservativen (Tories) unter Premierminister John Major haushoch schlagen. Schon jetzt ist Major auf die Unterstützung der nordirischen Unionisten angewiesen, denn dank einer beispiellosen Serie von verlorenen Nachwahlen haben die Tories die Mehrheit im Unterhaus verloren.
1992 gelang es Major, Labour noch einmal zu schlagen. Doch inzwischen hat sich diese Partei zumindest optisch so stark in Richtung Mitte bewegt, daß der vielleicht wichtigste Helfer der Konservativen - die Angst vor Labour - verschwunden ist.
Dabei kann die Regierung durchaus auf Erfolge verweisen. Hätte die Regierung Kohl auch nur annähernd ähnliche Wirtschaftsdaten wie das Vereinigte Königreich vorzuweisen, der CDU/CSU wäre ein rauschender Wahlsieg 1998 sicher.
Ein geschätztes Wachstum von knapp 3% und eine Arbeitslosenquote von 6,9% (Deutschland: 12%) sind zwar auch Ausdruck des in England weiter fortgeschrittenen Konjunkturzyklus, aber ebenso das Ergebnis der "konservativen Revolution" unter Thatcher und Major. Eine Steuerreform etwa, die der in Deutschland heute diskutierten in der Grundidee stark ähnelt, wurde in Großbritannien bereits Mitte der achtziger Jahre durchgesetzt.
Zwar ist im Vereinigten Königreich der Lebensstandard niedriger als in Deutschland, die Arbeitsplatzsicherheit ist geringer, die Gewerkschaften weniger mächtig. Doch nach normalen Maßstäben müßte die Regierung Major die Wahlen gewinnen.
Doch die Maßstäbe haben sich eben geändert. Die Konservativen sind dermaßen verbraucht, von Affären geschüttelt, von Indiskretionen verfolgt und in der Europafrage so tief gespalten, daß ein Sieg gegen "New Labour" unmöglich erscheint. Das Mehrheitswahlrecht könnte sogar ein Waterloo für die Tories bedeuten.
Größter Erfolg der Tories ist vielleicht, daß die lange uneinsichtige Labour Party vom Wirtschaftsprogramm der Tories immer stärker beeinflußt wurde. Darüber kann sich aber niemand freuen: Denn dieser Erfolg wird Major die Wahl kosten.

G.D.