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Es geht wieder bergauf

Die Talfahrt der Leverkusener Basketballer ist aufgehalten

Obwohl er praktisch nutzlos war, könnte er zum wichtigsten Ereignis in der ganzen Saison werden: Der 100:90 Sieg der Leverkusener Basketballprofis am 15. Januar bei Kinder Bologna. Nach einer Serie von 11 Niederlagen in Folge war es für sie die erste erfolgreich abgeschlossene Partie überhaupt in der aktuellen Europaliga-Spielzeit. Doch wegen dieser Mißerfolgs-Serie bestehen für die "Riesen vom Rhein" nur noch hypothetische Chancen, den Abstieg aus der Europaliga zu verhindern: Sollte Leverkusen alle vier noch ausstehenden Spiele gewinnen und Bologna alle Spiele verlieren, dann wären beide Mannschaften punktgleich. Wegen des dann besseren direkten Vergleichs kämen die Deutschen dann auf Platz fünf der Gruppe H und die Italiener auf Platz sechs. Eine Achtelfinal-Teilnahme ist für Leverkusen bereits jetzt ausgeschlossen.
Trotzdem stellt der jüngste Sieg auf der Apenninenhalbinsel für die Bayer-Profis einen wichtigen Erfolg dar. Nach dem Weggang von insgesamt sechs Spielern aus der Meistermannschaft von 1996 sahen viele die Mannschaft von Bayer 04 Leverkusen schon im freien Fall in die Zweitklassigkeit. Denn nicht nur in der Europaliga, sondern auch in der Bundesliga hagelte es schmerzhafte Niederlagen zuhauf. Spiele gegen Berlin, Rhöndorf, Trier und Aufsteiger Bonn gingen mit Ergebnissen verloren, die normalerweise wahrlich schon Klassenunterschiede bedeuteten. Andere Niederlagen, wie die Heimbegegnungen gegen Ulm oder Split, waren nur haarscharf, zerrten dafür an der Psyche aber umso mehr. Ganz zu schweigen von den stillen und lauten Triumphen der Neider in der deutschen Basketball-Szene, die nach einer Serie von sieben deutschen Meisterschaften für Leverkusen in Folge begierig auf einen derartigen Ausrutscher gewartet haben.

Tritt gefaßt

Der Sieg in Bologna bestätigt dagegen, das die "Riesen vom Rhein" sich nunmehr auf dem Weg der Besserung befinden. Nachdem der Fall ins Bodenlose gegen Weihnachten mit einigen Siegen in der Bundesliga aufgefangen wurde, bezeugt der Sieg gegen die international erfahrene Mannschaft aus Italien, daß die Mannschaft besser spielen kann, als sie zu Saisonbeginn gezeigt hat.
Tatsächlich konnte der regelmäßige Zuschauer der Spiele der Leverkusener Profis schon länger eine langsame, aber stetige Verbesserung der Spielstärke des Teams beobachten. Die Worte von Headcoach Dirk Bauermann, daß die Spieler Zeit bräuchten, um sich zusammenzufinden, haben ihre Richtigkeit bewiesen. Nach dem Weggang von Koch, Welp, Corchiani, Harnisch und Hupmann fehlten eben auf einmal fünf Leistungsträger, die durch neue Spieler ersetzt werden mußten.
Zwar war die Kritik an den Neuzugängen, wie dem US-Aufbauspieler Kevin Pritchard durchaus berechtigt, wenn man deren viele verunglückte Einzelaktionen sah. Doch mehr als sie war die fehlende Mannschaftsleistung oft spielentscheidend gewesen. Außerdem tut man den Spielern unrecht, wenn man nicht das Verletzungspech in Betracht zieht: Wochenlange Ausfälle von Pritchard und Topscorer Tony Dawson sind nicht einfach wegzustecken.

Respekt für den Coach

Inzwischen hat sich einiges geändert: Pritchard zieht die Fäden im Aufbau, Tony Dawson macht Punkte am laufenden Band und der vielgescholtene "Bosman" Ricardo Esposito schießt Dreier mit teilweise sehr beachtlichen Trefferquoten (z.B. 5/6 gegen Bayreuth). Lediglich der andere italienische Neuzugang, Center Marco Baldi, hat die in ihn gesetzten Erwartungen noch nicht erfüllt. Um die Hoffnungsträger Dennis Wucherer und Tim Nees braucht sich Trainer Bauermann ohnehin keine Sorgen zu machen.
Apropos Bauermann: Es spricht für den Charakter des Trainers, daß er nach der Niederlagenserie nicht von sich aus das Handtuch geworfen hat. Denn die Signale vom Verein, daß auch in der nächsten Saison der Etat für die Basketballabteilung nicht wesentlich aufgestockt wird, machen ja keine Hoffnung, daß Leverkusen jemals beim Poker um gute Spieler mit den finanzstarken Vereinen aus der Türkei, Griechenland, Italien und Spanien mithalten könnte. Wäre Bauermann lediglich darauf aus, Karriere als Basketball-Coach zu machen, wäre nach dem Weggang der fünf Leistungsträger oder spätestens nach dem verkorksten Saisonstart der Zeitpunkt gewesen, sich zu verabschieden. Denn wenn Leverkusen tatsächlich in die Zweitklassigkeit abgesunken wäre, hätte darunter sicherlich auch der gute Ruf Bauermanns gelitten, den er sich durch die mit dem Bayer-Team errungenen Erfolge aufgebaut hat.

Neuaufbau

Bauermann verkündete dagegen zusammen mit Manager Otto Reintjes den Neuaufbau des Teams: In der kommenden Saison wolle man weitgehend auf teure ausländische Spieler verzichten und dafür um Dennis Wucherer und Tim Nees (und Hansi Gnad, der noch eine Spielzeit in Leverkusen dranhängen will) herum eine Mannschaft von jungen, erfolgshungrigen Spielern formieren.
Ein erster Baustein dafür ist beispielsweise der 17jährige Goran Kovacev aus der eigenen Jugend. Außerdem konnte zum Jahreswechsel Radisa Zdravkovic (20) aus Ludwigsburg verpflichtet werden. Trainer Bauermann räumt ihm bereits jetzt beachtliche Spielzeiten (auch in entscheidenden Situationen) auf der Aufbauposition ein, in denen der "Basketballdeutsche" schon ein gehöriges Maß an Verantwortungsbereitschaft und Führungsstärke zeigte.
Paradoxerweise könnten aber möglicherweise gerade die jüngsten Erfolge den geplanten Neuaufbau gefährden. Denn Dennis Wucherer spielt so erfolgreich (20 Punkte und mehr pro Spiel), daß es schon ein Wunder wäre, wenn er für die nächste Spielzeit keine lukrativen Angebote aus Griechenland, Italien etc. bekommen würde. Ob Bayer soviel Geld lockermachen wird, daß Wucherer in Leverkusen bleibt, steht in den Sternen. Vielleicht wäre es besser, wenn man sich auf lange Sicht nach einem anderen Sponsor umsieht. Der Bayer-Konzern scheint seine Förder-Aktivitäten auf den Fußball zu konzentrieren. Finanzkräftige Basketball-Sponsoren gibt es aber auch andere in Deutschland. Etwa den Frankfurter Süßwaren-Herstellere Ferero. Dessen "Kinder-Schokolade" ist schließlich der Namensgeber für die Mannschaft aus dem italienischen Bologna.

M.W.