Leverkusen

Ein Konzern, der keiner ist

Auf den Geschmack des Kapitalismus gekommen
Zum 3. Beteiligungsbericht der Stadt Leverkusen

Seit der Neufassung der Gemeindeordnung ist jede Gemeinde in NRW verpflichtet, einen Bericht über ihre Beteiligungen an Unternehmen zu veröffentlichen. Fast alle Kommunen verfügen über zum Teil enorme Unternehmen in privater Rechtsform, so daß die Information der Bürger und der Ratspolitiker darüber sinnvoll und notwendig ist - schließlich geht es um Steuergelder, aber auch un Gebühren.

Deutliche Verbesserung

Der zur Zeit aktuelle 3. Beteiligungsbericht der Stadt Leverkusen für 1996 liegt vor und kann von jedem Bürger von der Stadtverwaltung angefordert werden.
Der jetzige Bericht ist erheblich umfangreicher und auch übersichtlicher als sein eher lieblos zusammengeschusteter Vorgänger. In seinem Hauptteil gibt er einen Überblick über die Gesellschaften, an denen die Stadt zu mindestens 50% beteiligt ist. Nicht aufgeführt wird die Sparkasse, an der die Stadt im engeren Sinne ja auch nicht beteiligt ist, sondern lediglich die Gewährsträgerhaftung innehat.
Einige Beteiligungsgesellschaften der Stadt können sich von der Größe her sehen lassen: Die Energieversorgung Leverkusen (EVL) setzt mit 436 Beschäftigten immerhin 238 Millionen DM um und erwirtschaftet 6,1 Mio. DM Gewinn.
Ähnliches gilt für die Abfallwirtschaft Leverkusen (AWL), die 76 Mio. DM umsetzte und 2,1 Millionen DM Gewinn machte.
Bei anderen Beteiligungen ist sehr viel schwieriger zu ermitteln, wie erfolgreich gewirtschaftet wurde oder wie ausssagekräftig bestimmte Kennzahlen sind. Das Klinikum Leverkusen kann zwar von 1993 bis 1995 Überschüsse vorweisen, doch in welchem Umfang hier staatliche oder städtische Subventionen mitgeholfen haben, geht aus dem Bericht nicht hervor.

Defizitärer Sportpark

Chronisch defizitär ist der als Eigenbetrieb geführte Sportpark Leverkusen (das frühere Sport- und Bäderamt), der die Bäder und Sportstätten verwaltet. Immerhin zeigen Bilanz und Kommentar, daß der ausgewiesene Jahresfehlbetrag von 2,2 Mio. DM sich aus Verlusten von 7,4 Mio. DM aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (bei nur 1,8 Mio. DM Umsatz!) und Erträgen von 4,2 Mio. DM aus beim Sportpark "geparkten" anderen Beteiligungen der Stadt (vermutlich EVL-Anteile und/oder RWE-Aktien) zusammensetzt.
Die Wohnungsgesellschaft Leverkusen mbH scheint ganz gut zu laufen (53,3 Mio. DM Umsatz, 2,8 Mio. DM Gewinn 1995), während etwa die Rheinfähre Köln-Langel/Hitdorf ebenso chronisch defizitär ist wie die Kraftverkehr Wupper-Sieg (KWS).
Leider hat die Stadt nur ihre größeren Beteiligungen ausführlicher dargestellt. Auch über die Aktivitäten des Gründer- und Innovationszentrums Leverkusen (GIZ, städtischer Anteil 26%) oder auch des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (4,35%) wären Informationen hilfreich.
Bei all diesen Zahl sollte man nicht den Fehler machen, Gewinn oder Verlust jeder einzelnen Gesellschaft als Ausweis ihrer Leistungsfähigkeit und Effizienz zu werten. Während EVL und AWL als Monopole keine großen Probleme mit der Gewinnerzielung haben dürften, muß die KWS, die mit 11 Mio. DM den höchsten Verlust macht, mit vielen anderen Verkehrsmitteln konkurrieren und darf dabei aus leicht nachvollziehbaren Gründen keine allzu hohen Preise nehmen. Glaubt man dem Beteiligungsbericht, schneidet die KWS im Vergleich zu anderen kommunalen Nahverkehrsunternehmen sogar ausgesprochen gut ab.
Niemand käme auf den Gedanken, die Tätigkeiten der KWS, der Rheinfähre, des Klinikums oder der Suchthilfe in erster Linie an ihrem Gewinn oder Verlust zu messen.

Holding? Konzern?

Um so verwirrender stimmt die Einleitung des Beteiligungsberichtes. Danach identifiziert sich die Stadt weitgehend mit dem Konzernbegriff aus der Privatwirtschaft (zwei oder mehr rechtlich selbständig bleibende Unternehmen unter einheitlicher Leitung). Die Stadtverwaltung fungiert in diesem Weltbild als "Quasi-Holding".
Dabei werfen die Autoren offenbar manches durcheinander. Zum Konzern fehlt der Stadt zuallererst die private Rechtsform. Es fehlt ebenso ein durchgängiges Rechnungs-, Steuerungs- und Kontrollwesen, eine testierte konsolidierte Bilanz, ein Aufsichtsrat, ein Vorstand, ein Lagebericht, ein Konzernbetriebsrat und und und.
Im übrigen scheinen die Verfasser auch den Begriff "Holding" mit "Konzernobergesellschaft" zu verwechseln. Eine Holding nimmt Steuerungs- und Führungsaufgaben für alle rechtlich selbständigen Unternehmen des Konzerns wahr, betreibt aber selber kein eigenes Geschäft. (Die Bayer AG ist z.B. keine Holding, wohl aber die RWE AG.)

Öffentlicher und privater Zweck

Dies tut die Stadtverwaltung aber durchaus. Doch ihr "Geschäft" dient nicht einem privaten, sondern einem öffentlichen Zweck.
Private Konzerne streben (neben anderen Zielen) immer danach, ihren Gewinn zu maximieren. (Damit dies nicht zu Lasten der Allgemeinheit geht, muß es Wettbewerb geben.) Gerade in den letzten Monaten konnte man erleben, wie große, traditionelle Konzerne schlecht laufende Tochtergesellschaften abstießen, in neuen Geschäftsfeldern investierten und sich selbst bis zur Unkenntklichkeit veränderten.
Die Stadt kann und darf das höchstens in sehr engen Grenzen. Das Wohl der Bürger muß ebenso im Blick gehalten werden wie das Verfolgen kommunalpolitischer Ziele. Ausgründungen in private Rechtsformen können sehr hilfreich sein, um die Effizienz der Stadtverwaltung zu erhöhen - wie man am Beispiel AWL allen Unkenrufen zum Trotz feststellen kann. Denn anders ist eine realistische Kostenrechnung nicht zu erreichen - wenn auch eine Fülle öffentlicher GmbHs dazu reizt, altgediente, aber lästige Politiker als hochdotierte Frühstücksdirektoren abzuschieben (siehe Köln).
Die meisten Beamten und Angestellten der Stadt dürften nicht für Leitung und Kontrolle eines Konglomerats von höchst unterschiedlichen Unternehmen und Pseudo-Unternehmen ausgebildet sein.
Daher kann die politische Priorität der Stadt weniger die dauernde Ausgründung und formelle Privatisierung immer weiterer Gebiete der Verwaltung sein, wie es ganz offen im Bericht erklärt wird, sondern eher die Veräußerung von städtischen Unternehmen. Kandidaten wären etwa die AWL, die IVL oder auch die WGL. Dies wäre der Einrichtung großer Controlling-Stäbe in einer ansonsten von der doppelten Buchführung unbeleckten Stadtverwaltung vorzuziehen.
Was im Bericht fehlt, ist zum einen eine klare Abgrenzung von privater und öffentlicher Sphäre (die Begeisterung der traditionell eher linken Stadtverwaltung für den Kapitalismus erinnert etwas an das erste Besäufnis eines Abstinenzlers) und zum anderen eine echte Privatisierungsperspektive. Nur wenn die Stadt sich wirklich von unnötigem Vermögen trennt, schafft sie auch mehr Effizienz.

G.D.