Editorial

EURO-Skepsis

Die CDU Leverkusen diskutierte über die Währungsunion

Auf dem CDU-Parteitag am 28. November im Forum nahm sich die Kreispartei des Themas "Europäische Währungsunion" an.
Dem gingen jedoch erst einmal die Rechenschaftsberichte voraus. Der des Kreisvorsitzenden Rudi Müller ließ keine übertriebe Geschäftigkeit des Vorstandes im vergangenen Jahr erkennen. Immerhin scheint die CDU eine überraschende Attraktivität für Türken bzw. türkischstämmige Deutsche entwickelt zu haben; ob dies mit dem "Ausländerparteitag" im Frühjahr zu tun hatte, konnte Rudi Müller nur vermuten.
Fraktionsvorsitzender Klaus Hupperth, der neben der Mahnung zur weiteren Zusammenarbeit mit der SPD dem Oberbürgermeister Dr. Mende mangelnde Popularität und geringere "Macherqualitäten" als gedacht attestierte, strich die Initiativen der CDU bei der Wirtschaftsförderung heraus und bat diejenigen, die gegen eine Gewerbesteuererhöhung seien, um eigene Kürzungsvorschläge.
Erstaunlicherweise gab es keine Anträge aus dem Plenum. Immerhin hätte man vom Ortsverband Rheindorf einen solchen gegen die Schließung der Filiale der Stadtbibliothek erwarten können; vielleicht wurde durch die zeitweilige Verschiebung der Schließung nach den Protesten der Bürger ihnen der Wind aus den Segeln genommen.

"Keine Angst vorm Euro?!"

Unter diesem Motte kam es im zweiten Teil des Parteitages zu einer recht lebhaften Diskussion. Die Podiumsdiskussion mit Ingo Mainert von der Commerzbank-Zentrale in Frankfurt, der Europaabgeordneten Marlene Lenz (CDU), dem Manager Dr. Frank Thomas vom Gerling-Konzern und Roland Waniek vom renommierten Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) fiel erheblich interessanter als befürchtet aus.
Zuerst erschlug Ingo Mainert in einem Referat die Delegierten mit Zahlen, Daten und Fakten, aus denen letztlich nur zwei Aussagen herausgefiltert werden konnten:
1. Die Währungsunion kommt sehr wahrscheinlich mit Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Österreich, vielleicht noch Finnland und Irland;
2. die langfristigen Zinsen der sechs wahrscheinlichsten Beitragsländer haben sich fast völlig angeglichen.
Während Frau Lenz, die an diesem Abend müde und abgespannt wirkte, kaum Erhellendes bis auf eher allgemeingehaltene Werbung für die Währungsunion beitragen konnte, erläuterte Dr. Thomas die betriebswirtschaftlichen Folgen der Währungsunion (die er bejahte) für den Gerling-Konzern.

Kosten durch EDV und Schulung

An Kosten fielen bei Gerling durch die Umstellung auf den Euro etwa 50 Millionen DM an, hauptsächlich durch Umstellung der EDV und durch Schulung; durch den Euro würden jährlich (durch wegfallende Wechselkosten) die erstaunlich geringe Summe von 1 Million DM eingespart; und auch zusätzliche Erträge durch die bessere Ergiebigkeit der Kapitalmärkte setzte er mit einem geringen Millionenbetrag an. Es werde etwa 8 bis 12 Jahre dauern, so Dr. Thomas, bis die Kosten der Währungsumstellung wieder "hereingeholt" seien.
Allerdings stellten sowohl Kosten als auch Gewinne angesichts eines Gerling-Umsatzes von ca. 12 Milliarden DM eher geringe Größen dar.
Roland Waniek vom RWI machte sich daran, Wasser in den Wein der Euro-Befürworter zu schütten. Er bezeichnete die Erfüllung der Stabilitätskriterien von Maastricht für eher unwichtig für den Erfolg der neuen Währung; weitaus wichtiger sei eine Stabilitätskultur, weswegen er den Waigelschen Stabilitätspakt auch massiv unterstützte. Waniek lehnte den Euro nicht ab, sah in einem Euro-Raum durchaus eine sinnvolle Konkurrenz zum Yen- und Dollar-Raum; allerdings stellte er die unbeantwortete Frage, ob wir mit dem DM-Block in Europa nicht schon jetzt etwas Vergleichbares hätten.
Wichtig sei, was nach der Einführung des Euro passiere. Aus ökonomischer Sicht sei der Euro unnötig. Die Gründe für die Einführung sah Waniek in (durchaus nachvollziehbaren) politischen Zielen: Der Euro als Klammer des Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Flexibler Vertrag

In der durchaus anspruchsvollen Diskussion war von "Europhorie" nichts zu spüren. Eine Dame fragte äußerst scharfsinnig (und brachte damit Mainerts Referat gefährlich ins Wanken), ob die sich angleichenden Zinsen in Europa nicht zuallererst mit der Erwartung des Euros durch die Märkte im Sinne einer "self-fulfilling prophecy" zu tun hätten. Andere fragten, wie Belgien mit einer Staatsverschuldung von 130% des BIP (erlaubt sind im Maastrichter Vertrag 60%) mitmachen könne. Die Antwort liegt ebenfalls im Vertrag, der zur Not äußerst flexibel ausgelegt werden kann.
Waniek, der spürbar am meisten Beifall von den Mitgliedern von Kohls Partei erhielt, befürchtete einen "Stabilitätspakt mit Milchzähnen" und eine Aufweichung der Kriterien, denn auch Deutschland werde vermutlich nicht alle erfüllen. Es war mit Händen zu greifen, daß die Euro-Skepsis unter den CDU-Mitgliedern weitaus verbreiteter war als die Begeisterung über die neue Währung.
Skepsis bedeutet bekanntlich Zweifel und ist der Grundzug eines aufgeklärten Menschen. Insofern zeigte sich die CDU an diesem Abend nicht ängstlich, sondern besonders aufgeklärt.

G.D.