Politik

Mehr Zeit zum Einkauf ???

Ab 1. November diesen Jahres ist es soweit: Deutsche Geschäfte dürfen länger öffnen

Jetzt scheinen die Deutschen anscheinend zumindest teilweise ein innovatives Volk zu sein. Nachdem schon vor einiger Zeit das neue Ladenschlußgesetz von der Koalition verabschiedet worden ist, haben sich auch die Tarifpartner geeinigt. Für die, die es trotz der ewigen Diskussionen immer noch nicht wissen, hier nochmal die wichtigste der Neuerungen: Alle Geschäfte dürfen zukünftig montags bis freitags bis 20 Uhr öffnen und Samstags bis 16 Uhr.
Ob diese Ausdehnung nun wirklich der große Wurf ist, als der sie von einigen Seiten hingestellt worden ist, bleibt fraglich. Auch wenn bereits Jahrzehnte über dieses Gesetz gestritten worden ist, ist seine Bedeutung besonders in den letzten Jahren erheblich überbewertet worden. Die Brandmarkung als ein Symbol der Innovations- und Technikfeindlichkeit der Deutschen ist doch erheblich zu hoch gegeriffen.

Entzerrung

Zwar stimmt es, daß die Ladenöffnungszeiten in Deutschland im internationalen Vergleich ziemlich begrenzt sind, doch sind positive Auswirkungen einer Ausdehnung sehr kritisch zu betrachten. Ein unbestrittener positiver Effekt ist sicherlich die verbesserte Einkaufsmöglichkeit für Berufstätige. Sie können sich ihre Freizeit jetzt erheblich freier einteilen und müssen sich nicht mehr in die rush-hour der Läden stürzen. Insoweit führt die Neuregelung sicherlich zu einer teilweisen Entzerrung der auch für die Mitarbeiter sehr anstrengenden Stoßzeiten. Dagegen muß aber auch jedem klar sein, daß ausgedehnte Öffnungszeiten zu einem geringer Umsatz pro Zeiteinheit führen werden. Denn ein erhöhter Umsatz ist nur in sehr begrenztem Maße zu erwarten, da sich die auszugebende Geldmenge kaum erhöhen wird. Es ist also damit zu rechnen, daß entweder die Preise erhöht an den Verbraucher weitergegeben werden oder der Personaleinsatz weiter verringert wird. Hier muß sich der Verbraucher darüber im Klaren sein, was er lieber möchte. Denn eine weitere Verringerung der Ertragslage werden die Unternehmen sicherlich mit allen Mitteln bekämpfen, da diese im Handel durch einen sehr starken Wettbewerb bereits sehr schlecht ist. Dies kommt den Verbrauchern bisher durch stabile und niedrige Preise wie in keinem Nachbarland zugute. Würden die Preise erhöht, wäre das also sicherlich nicht im Interesse der Konsumenten. Aber der Service muß dafür dann reduziert werden.

Bessere Beratung?

Mit den vereinbarten Zeitzuschlägen, d.h. Arbeitszeitverkürzungen für die Arbeit nach 18.30 Uhr, wird die tatsächlich geleistete Arbeitszeit in den allermeisten Fällen sinken, da aus Kostengründen kein neues Personal eingestellt werden wird. Die Impulse für den Arbeitsmarkt und eine erwartete Umsatzsteigerung bleiben also aus. Dagegen ist die Schreierei nach ohnehin schon knappem, beratendem Personal in den Geschäften heute schon zu hören. Der höhere Service in deutschen Kaufhäusern wird also auch nach dem neuen Ladenschlußgesetz Utopie bleiben, da ihn keiner bezahlen will.
Zwei kleine positives Trostpflaster bleiben dagegen: Brötchen am Sonntag und die Legalisierung von Nichtreiseproviant an Tankstelllen bis 20 Uhr. Bedenkenswert wäre dagegen eine Beschränkung der wöchentlichen Öffnungszeiten gewesen, wie sie beispielsweise in den Niederlanden praktiziert wird. Dort dürfen die Geschäfte zwar nur eine begrenzte Anzahl an Stunden öffnen, diese Stunden können jedoch erheblich freier und den Marktgegebenheiten angepaßt verteilt sein. Die tatsächlich geöffnete Stundenzahl liegt dort in etwa auf dem Niveau, das bisher auch in Deutschland herrschte. Inzwischen zeichnet sich auch ab, das zumindest in den Zentren die Tendenz dahin geht, erst später, d.h. oftmals erst um 10 Uhr, die Geschäfte zu öffnen. Dadurch wird der Personalmehraufwand am Abend zumindest teilweise wieder aufgefangen.

Abwarten

Das letzte Urteil spricht jedoch der Kunde. Nach der jahrzehntelangen Diskussion erscheint jedenfalls der Zeitraum, bis handfeste Fakten über den tatsächlichen Bedarf in den Vorstandsetagen vorhanden sind, wie eine Sekunde in der Menschheitsgeschichte. Warten wir also geduldig ab.