Editorial

Kleiner und effektiver

Konsequenzen der Bundestagsreform

Der Bundestag wird kleiner. Ab dem Jahr 2002 werden nur noch 598 anstatt der bisher 672 Volksvertreter im Parlament sitzen. Nicht allein der inzwischen allgegenwärtige Sparzwang war Vater der im Oktober von Koalition und Opposition beschlossenen Bundestagsreform. Nein, das eigentliche Ziel war es gewesen, mit der Verringerung der Abgeordnetenzahl um über zehn Prozent die Arbeitsfähigkeit des Bundestags sicherzustellen. Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer zum Bundesgebiet war die Volksvertretung um eine der Bevölkerungszahl entsprechende Anzahl von Mandaten erweitert worden. Es hatte sich jedoch herausgestellt, daß die Arbeit des Gesetzgebungsgremiums ineffektiv geworden war.

Neuordnung

Doch, so einfach wie es auf dem Papier erscheint ist die Verkleinerung nicht durchzuführen. Da das Parlament jeweils zur Hälfte aus Listenkandidaten und in den Wahlkreisen direkt gewählten Abgeordneten bestehen soll, muß auch die Anzahl der Bundestagswahlkreise entsprechend von 336 auf 299 verringert werden. Die Verringerung der Abgeordnetenzahl hat auch für Nordrhein-Westfalen Konsequenzen: Gemäß des Anteils an deutschen Einwohnern wird NRW ab der Bundestagswahl 2002 nur noch aus 64 statt bisher 71 Wahlkreisen bestehen. Dies bedeutet, daß nach den Bevölkerungszahlen vom 31.12.1995 auf einen Bundestagswahlkreis 249.165 Einwohner entfallen. Nach den Vorgaben der Reform dürfen die Bevölkerungszahlen in den einzelnen Wahlkreisen um höchstens 25 Prozent von den Durchschnittswerten abweichen. Bereits ab einer Abweichung von 15 Prozent nach oben oder unten wird eine Neueinteilung der Wahlkreise empfohlen.

Vorschlag

Das Landesinnenministerium hat diese Vorgaben zum Anlaß genommen, um einen Vorschlag für die Neuabgrenzung in NRW zu erarbeiten. Danach könnten nur 26, also ungefähr ein Drittel, der bisherigen Wahlkreise in ihren Grenzen bestehen bleiben. Auch für Leverkusen wird es voraussichtlich Veränderungen geben. Bisher bildete die Stadt zusammen mit Leichlingen und Burscheid einen Wahlkreis. Da diese beiden Orte aber zum Rheinisch-Bergischen Kreis gehören, welcher mit insgesamt 246.587 deutschen Einwohnern nur um 1 Prozent von der Idealzahl nach unten abweicht, ist ein Ende der Kooperation wahrscheinlich. Wo also hin mit Leverkusen, das mit 142.265 deutschen Einwohnern viel zu wenig Wähler hat, um einen selbständigen Wahlkreis zu bilden? Nach dem Bundeswahlgesetz muß der Wahlkreis ein zusammenhängendes Gebiet bilden. Da wären nach Norden Städte wie Monheim und Langenfeld. Diese gehören, anders als Leverkusen, nicht zum Regierungsbezirk Köln, sondern zum Regierungsbezirk Düsseldorf. Der Vorschlag des NRW-Innenministeriums legte aber Wert darauf, daß diese Grenzen bei einer Neueinteilung eingehalten werden. Da im Osten der bereits erwähnte Rheinisch-Bergische Kreis liegt, bleibt also nur eine Wahlkreislösung mit den südlichen oder westlichen Nachbarn. In diese Richtungen grenzt Leverkusen an Köln. Tatsächlich sieht der Vorschlag eine Zusammenlegung mit dem Kölner Stadtbezirk Mülheim vor.

Eingemeindung?

Momentan liegt der Vorschlag des Landesinnenministers den Parteien, insbesondere den vor Ort betroffenen Kreisverbänden, zur Stellungnahme vor. Diese sind geteilter Meinung. Der derzeitige Leverkusener Bundestagsabgeordnete Johannes Singer (SPD) könnte sich mit einer Zusammenlegung mit dem Kölner Stadtbezirk durchaus anfreunden. Schließlich würden die mehrheitlich links wählenden Mülheimer die Position eines sozialdemokratischen Bundestagskandidaten in Leverkusen festigen. Die anderen Leverkusener Parteien stehen den Plänen des NRW-Innenministeriums eher skeptisch gegenüber. Zum einen sehen sie Probleme, wenn sie künftig bei Bundestagswahlen mit den Kölner Schwesterverbänden ihrer Parteien kooperieren müßten, bei Landtagswahlen aber weiterhin mit Leichlingen, was mit einem Teil unserer Stadt einen eigenen Landtagswahlkreis bildet. Auf der anderen Seite wird befürchtet, daß ein Zusammengehen mit Köln bei Bundestagswahlen künftig noch ganz andere Konsequenzen haben könnte. Die Möglichkeit, daß Leverkusen bei der nächsten Gemeindereform dem bei der letzten Reform in den siebziger Jahren gerade noch abgewendeten Schicksal, nach Köln eingemeindet zu werden, doch noch erliegen könnte, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Statistiker wird siegen

Auch die Kölner Christdemokraten halten nicht viel von den Neuordnungsplänen. Da sich die bisherigen vier rein Kölner Bundestagswahlkreise aufgrund der zu kleineren Bevölkerungszahl nicht halten lassen, muß auch der einzige Kölner Wahlkreis, in dem mit Heribert Blens ein CDU-Kandidat ein Direktmandat gewinnen konnte, vergrößert werden. Die Chancen, daß in diesem Wahlkreis künftig ein CDU-Kandidat gewinnen wird, sind als recht gering einzuschätzen. Die endgültige Zusammensetzung der neuen Wahlkreise wird auf derartige Befindlichkeiten kaum Rücksicht nehmen können. Wichtigstes Ziel bei der Neueinteilung ist es, daß die Größe aller Wahlkreise möglichst nah am vorgegebenen Durchschnittswert liegt. Danach wurde der Vorschlag des Innenministeriums verfaßt. Nach der Stellungnahme der Parteien wird er an das Statistische Bundesamt weitergeleitet. Das letzte Wort in Sachen Neueinteilung wird der zuständige Bundestagsausschuß haben. Und auch die Parteien, die danach möglicherweise weniger Direktmandate bekommen werden, können sich trösten: Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag werden sich wohl kaum verändern. Denn die Mandatszahlen für die einzelnen Parteien werden (abgesehen von eventuell vorhandenen Überhangmandaten) auch 2002 weiterhin nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden.

M.W.