Politik

T-Blüten

Vor dem Börsengang der Deutschen Telekom (vergleiche ausführlichen Artikel an anderer Stelle) überbieten sich die Banken in originellen, oft aber höchst fragwürdigen Sonderaktionen, um den traditionell entweder extrem konservativen oder entsetzlich leichtgläubigen (oder beides) deutschen Sparern die T-Aktie nahezubringen.
Einen besonders geschickten Schachzug ließ sich die Commerzbank einfallen. Wer die T-Aktie bis zum Jahr 2002 hält und auf die Dividenden (zugunsten der Commerzbank) verzichtet, bekommt am "Laufzeitende" mindestens den Zeichnungspreis zurück, geht also - auf dem Papier - kein Risiko ein, profitiert aber von allen eventuellen Kursgewinnen.
Wirklich genial. Denn nach Berechnungen der Konkurrenz übersteigen die erwarteten Dividenden (selbst vorsichtig geschätzt) die Kosten für die Absicherung der Aktien bei weitem. Die Commerzbank macht hier ein schönes Geschäft, indem sie von der Vollkaskomentalität der Sparer profitiert. Dabei sollte der Börsengang nebenbei eigentlich das Gegenteil bewirken: möglichst viele Sparer mit den Chancen und Risiken des Aktiensparens vertrauter machen. Setzen, fünf!


Der Bundesrat verläßt Bonn

Na und? Die Emotionen der Bonn-Berlin-Debatte dürfte dieser Beschluß der Länderkammer kaum mehr aufwühlen. Interessant nur, daß die Berlin-Befürworter plötzlich ihr Argument aus der 1991er-Debatte, man dürfe ein einmal gegebenes Versprechen nicht einfach brechen, nun völlig ignorieren. Immerhin war der Bundesrat Bonn zugesichert worden - als Trostpflaster.
Interessant auch, daß der härteste Berlin-Gegner von 1991, die CSU, nun an vorderster Front der Umzugsbefürworter steht. Auch einfach zu erklären: Die selbst- und machtbewußte bayerische Staatsregierung wollte nicht in Bonn versauern, während die Musik der Politik in Berlin spielt. Diese Argumentation haben 13 von 16 Ländern akzeptiert.
Interessant wäre aber besonders eine Abstimmung über den Regierungssitz heute. Doch es hat keinen Zweck, den ärgerlichen, weil unnötig teuren und symbolisch eher fruchtlosen Umzug zu beklagen.


Lebed-Mania

Es ist erstaunlich, was der russische Sicherheitsberater, General Alexander Lebed, leistet. Daß er in Tschetschenien einen fast unmöglich scheinenden Frieden stiftete, ist schon verblüffend.
Doch noch erstaunlicher ist seine Wirkung auf aufgeklärte, liberale westliche Journalisten: Sie fressen ihm aus der Hand. Da mag er noch so vehement den chilenischen Ex-Diktator Pinochet preisen oder sich selbst mit einiger Überwindung gerade mal als "halben Demokraten" bezeichnen: Die internationale Presse ist begeistert. Wehret den Anfängen? Das gilt offenbar nicht für Rußland.
Allerdings sind die Alternativen auch eher kläglich. Der eher fade Kommunist Sjuganow schaffte es nicht, den kranken Jelzin auch nur annähernd zu gefährden. Ministerpräsident Tschernomyrdin gilt als Vertreter spezieller wirtschaftlicher Interessen. Die Sympathie für Lebed ist vielleicht auch die Sympathie für einen noch ziemlich unverbrauchten Politiker, der den frustrierten russischen Wählern eine spezifisch russische, aber friedliche Perspektive geben kann.
Und Erleichterung mag mitspielen, daß der Westen nicht mehr nur auf den todkranken Jelzin bauen muß, daß es außerhalb der Kommunisten Alternativen gibt. Allerdings war auch Mussolini in den zwanziger Jahren bei manchen westlichen Intellektuellen recht populär, von Stalin ganz zu schweigen. Hoffentlich haben die Journalisten den richtigen Riecher.

G.D.