Politik

Nachtrag zur Rechtschreibreform

Die Rechtschreibreform ist nun abgesegnet, der neue Duden wird seinem Verlag einen netten warmen Regen bescheren, einige Ministerpräsidenten rühmen sich, "Bot" und "Keiser" verhindert zu haben, und alle sind zufrieden.
Jedenfalls scheint es so. 20 Jahre Arbeit an einer Reform wurden abgeschlossen. Doch der ganze Vorgang zeigt eher Mechanismen und Verhaltensweisen auf, die bedenklich stimmen.
Trotz aller Behauptungen, die deutsche Spreche werde vereinfacht, war die dringende Notwendigkeit einer Reform eigentlich niemandem so recht klar. Über die Jahre hinweg war die Sache mehr das Privatvergnügen einiger international gemischter Germanistikprofessoren.
Verabschiedet wurde die im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen äußerst bescheidene Reform eigentlich nur, weil alle Beteiligten - besonders die Bürokraten in den Kultusministerien - der Sache in hohem Maße überdrüssig waren.
Und die ganze Reform wurde von den Untertanen lammfromm geschluckt. Die Zeitungen meldeten, daß nur Behörden, Lehrer und Schüler sich an die neuen Regeln halten müßten; alle anderen Bürger dürften so schreiben wie bisher. Die Absurdität solcher Meldungen ist offenbar niemandem aufgefallen.
Undenkbar, daß Vergleichbares in Frankreich oder den USA so glatt über die Bühne gelaufen wäre! Niemand hatte offenbar den Mut, den Sinn dieser Reform zu hinterfragen. Das scheint mir auch einiges über die Mentalität der Bürger in diesem unseren Lande zu sagen. Was von oben kommt, wird bekrittelt, aber man akzeptiert's - wie ehedem im Kaiserreich, wo ja im Jahr 1901 die letzte amtliche Rechtschreibreform durchgesetzt wurde.
Doch die deutsche Sprache wird eine schwere Sprache bleiben. Die Erleichterungen sind winzig. Es ist schon ein starkes Stück, zu behaupten, man könne durch Regeländerungen die Fehlerquote senken.
In Wirklichkeit gibt es nur eine Methode, halbwegs fehlerfrei zu lesen und zu schreiben: Man muß dauernd in Übung bleiben. Auch die Vorstellungen der Reformer über die Schüler sind mechanistisch und weltfremd. Gerade bei Wörtern wie "Rhythmus" machen Schüler nach Aussagen von Deutschlehrern eher selten Fehler, weil jeder weiß, daß es knifflig wird und man sich diese oder jene Eselsbrücke gebaut hat. (Vielleicht fragt sich mancher sogar nach dem Ursprung der beiden "h"s und dem "y" - und das ist ja auch nicht falsch.)
Die kommerziellen Interessen einer Reform sind erstaunlicherweise bisher kaum diskutiert worden. Sicher wird es eine Sonderkonjuktur für Wörterbücher geben - für die Unternehmen keine schlechte Sache in einer mauen Wirtschaftslage wie heute. Die Schulbuchverlage, angeschlagen wegen gravierender Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand, hoffen auf zügige Neubestellungen (aber wahrscheinlich vergeblich).
Interessant ist auch die Frage nach der auf Millionen von PCs (oft vor-)installierten Textverarbeitungssoftware. Sowohl die Rechtschreibhilfen als auch (wesentlich gravierender) die Trenndateien und -algorithmen und die Thesauren (oder -ri?) müssen erneuert werden - mit allen Möglichkeiten der Beutelschneiderei. Die Blicke richten sich besonders nach München, auf die Zentrale von Microsoft Deutschland, deren Programm "Word für Windows" Marktführer ist.

G.D.