Politik

Einfacher und gerechter

Ob 1999 oder früher: Die Steuerreform ist dringend nötig

Im Laufe des Sommers hat sich ein Schwerpunkt für die Bonner Politik bis zur nächsten Bundestagswahl herauskristallisiert: Die große Steuerreform. Auch wenn sich die Koalitionsparteien schon um den Termin für die Reform streiten, sind konkrete inhaltliche Einzelheiten noch längst nicht festgelegt. Gewisse Tendenzen lassen sich dagegen durchaus schon ausmachen.

Einfacher

Ein erklärtes Ziel ist es, das Steuersystem wesentlich zu vereinfachen. Das gegenwärtige Dickicht von Paragraphen und Verordnungen über steuerliche Ausnahmen, Absetzmöglichkeiten und ähnliches hat dazu geführt, daß nur noch die die Vorteile des Systems wirklich ausnützen können, die sich einen vernünftigen Steuerberater leisten können. Der "kleine Mann von der Straße" ist längst nicht mehr in der Lage, den Betrag, den er dem Staat schuldet, selbst auszurechnen.
Die meisten Modelle für die künftige Einkommensteuer sehen einen sogenannten Stufentarif vor. Dieser besagt, daß Einkünfte bis zu einem bestimmten Betrag (Existenzminimum) steuerfrei bleiben. Für Einkünfte, die darüber hinausgehen gelten dann feste Prozentsätze. (Der Vorschlag des Bundestagsabgeordneten Uldall sieht z.B. vor, daß für Jahreseinkünfte ab 12.000 DM acht, ab 20.000 DM achtzehn und ab 30.000 DM achtundzwanzig Prozent gezahlt werden sollen.) Beim derzeit gültigen Tarif steigt dagegen der Steuersatz für Einkünfte über dem Existenzminimum von 25,9% kontinuierlich bis zum Spitzensteuersatz von 53%.
Neben dieser Vereinfachung ist geplant, daß auch möglichst viele der oben erwähnten Ausnahmen und Absetzmöglichkeiten wegfallen sollen. Um diesen Zugewinn an Überschaubarkeit des Steuersystems auch tatsächlich durchsetzen zu können, wird der Gesetzgeber ein wahren Kraftakt vollbringen müssen. Denn zu (fast) jeder Steuer-Sonderregelung gibt es einen entsprechenden Interessenverband, der sich gegen die Abschaffung seiner Privilegien mit Händen und Füßen wehren wird.

Tieferer Spitzensteuersatz

Allzuoft, wenn von der Senkung des Spitzensteuersatzes die Rede war, kam von sozialdemokratischer Seite geradezu gebetsmühlenhaft das Argument von der Umverteilung von unten nach oben. Ein wesentlich differenzierteres Bild ergibt sich jedoch, wenn man den Status quo der Steuergesetze betrachtet: Mit wachsendem Einkommen steigt nicht nur der absolute Betrag an zu zahlenden Steuern in DM, sondern auch der prozentuale Anteil der Steuern am Einkommen: Während von Verdiensten knapp über dem Existenzminimum (11.555 DM jährlich) gut ein Viertel an Steuern zu zahlen ist, beträgt der Steuersatz für Verdienste mit einem Jahreseinkommen über 120.000 DM mit 53% mehr als die Hälfte.
Daß dies bei der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt auf die so dringend benötigten ausländischen Geldgeber abschreckend wirkt, hat selbst Rudolf Scharping inzwischen bemerkt. Die neue Obergrenze soll irgendwo bei 40 Prozent liegen. Selbst wenn der Spitzensteuersatz so deutlich gesenkt werden sollte, der Verdacht, daß die "Besserverdienenden" bei der Steuerreform besonders entlastet würden, ist unberechtigt. Denn gerade diese Gruppe müßte bei der Streichung der vielen Vergünstigungen und Ausnahmen tiefe Einschnitte hinnehmen.

Weiterer Reformvorschläge

Es gibt noch einen anderen Ansatz, mit dem verglichen das oben genannte nur "alter Wein in neuen Schläuchen" ist: Die Idee des "Bürgergelds" würde das System des Zahlens und Kassierens der Bürger gegenüber dem Staat radikal verändern. Dieses Konzept sieht vor, daß alle Zahlungen, die vom Staat geleistet werden bzw. an diesen zu leisten sind (neben den Steuern also auch Kindergeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe, usw.), miteinander verrechnet werden. Je nachdem, ob unter dem Strich dann ein Plus oder ein Minus herauskommt, geht schließlich Geld vom Finanzamt an den Bürger oder umgekehrt.
Attraktiv an diesem System wäre unter anderem folgender Gesichtspunkt: Es wären gewaltige Einsparungen am "Wasserkopf" der staatlichen Verwaltung möglich. Die Berechnung und Bezahlung würde hier über eine einzige staatliche Stelle (das Finanzamt) erfolgen. Gegenwärtig ist dies anders: Für 155 steuer- und beitragsfinanzierte Geldleistungen gibt es 38 Behörden und Quasi-Behörden, die mit deren Verwaltung befaßt sind. Die Aussichten auf ein Bürgergeld sind trozdem eher schlecht: Zwar steht es im Parteiprogramm der FDP, doch ergeben sich bei der praktischen Umsetzung soviele Probleme, daß die meisten Experten davon abraten.

Europäische Einigung

Auf lange Sicht schließlich ist eine europaweite Anpassung der Steuersysteme wünschenswert. Damit könnten dann auch die Großverdiener Marke Schumacher, Becker, Schreinemakers und Konsorten erfaßt werden, die es sich bis jetzt leisten können, mit ihrem Geld ins Ausland zu gehen, um Steuern zu sparen.

M.W.