Computer

Atari: The show goes on

Wenn in diesem Artikel der Name "Atari" fällt, so lediglich aus Orientierungsgründen. Längst beschäftigt sich die amerikanische Firma mit weniger aufregenden Dingen als der Produktion von Computern mit extrem vielen Licht- und Schattenseiten.
Doch eben jene Eigenschaften haben den "Grauen" eine treue und in Deutschland nach Hunderttausenden zählende Anhängerschar eingebracht, die dem Windows-Zeitgeist trotzt. Und warum soll man einen Computer pensionieren, der es noch tut und für den es einen ganzen Haufen maßgeschneiderter Programme gibt? Auch POLITEIA wird bekanntlich immer noch mit dem Klassiker Signum erstellt, und Frank kriegt jedesmal, wenn er Worte wie "Intel", "Bill Gates" oder "IBM" hört, einen derart roten Kopf, daß man besser schnell das Thema wechselt.
Andererseits können auch Ataris mal zu Bruch gehen. Und was dann?
Schon vor mehr als einem Jahr brachte das Softwarehaus Application Systems Heidelberg (ASH) für diesen Fall eine Apple-Version des Atari-Betriebssystems MagiC namens MagiCMac auf den Markt.
Nun folgte der zweite Streicht: MagiC PC heißt die Emulation, die Atari-Programme auf dem PC zum Laufen bringt. Programmautor ist paradoxerweise just jener Franz Schmerbeck, der auch Signum geschaffen und damit zum Atari-Erfolg in Deutschland maßgeblich beigetragen hat.
Zum Betrieb von MagiC PC benötigt man in jedem Fall Windows NT oder Windows 95. Empfohlen werden mindestens 8 MB RAM und einer jener Pentium-Prozessoren (100 MHz sollten es schon sein), die sich ab und zu verrechnen, aber trotzdem (oder gerade deswegen?) ziemlich beliebt sind.
Wir hatten Gelegenheit, das Programm zu testen. Während es auf einem 486/33MHz zu einer schleichenden Schnecke mit örtlicher Betäubung wird, lebt es auf einem Pentium/166MHz sichtlich auf: Es übertrifft die Geschwindigkeit des ST um mindestens das Dreifache und ist eher mit dem leistungsstärkeren Atari TT zu vergleichen.
Leider ist bisher nur eine Auflösung mit 16 Farben möglich und der Atari-typische Tastenklick aus dem Lautsprecher nur mit installierter Soundkarte zu hören. Doch wer vom ST kommt und über einen halbwegs flotten Pentium verfügt, dürfte begeistert sein - nicht nur des Tempos wegen, sondern weil in der ST-Auflösung (640x400 monochrom) auch unsaubere Programme (die etwa die Hardware direkt ansprechen oder Line-A-Routinen verwenden) klaglos laufen. Die verschiedenen Hardware-Bausteine des Atari ST wurden softwaremäßig nachgebildet.
Es ist auch möglich, mehrere MagiC-Programme parallel zueinander und zu Windows95-Programmen laufen zu lassen. Mit Hilfe der vom Atari bekannten Betriebssystemergänzung NVDI ist die Verwendung der Windows-TrueType-Schriften kein Problem.
MagiCMac soll zwar erheblich schneller laufen, was angesichts der recht engen Verwandschaft zwischen Ataris und Apples kaum verwundert. Doch Argumente wie die parallele Schnittstelle an PCs (Drucker können ohne Umwege angeschlossen werden) und das Preis-Leistungs-Verhältnis könnten Atarianer, die einen Zweitcomputer kaufen wollen, schwach werden lassen.
Vorausgesetzt, man gewöhnt sich an Dinge wie die auf F11 liegende Helptaste etc. Und natürlich kann man jederzeit aus Magic PC aussteigen und in einem parallel laufenden Win95-Programm arbeiten. Doch wer will das schon?

G.D.