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"Euer Andenken bleibt uns
Verpflichtung. Euer Leiden
war nicht vergebens."
Oskar Lafontaine, SPD-Bundesvorsitzender,
am 20. April 1996 in Berlin auf der
Gedenkveranstaltung für die
sozialdemokratischen Opfer der
Zwangsvereinigung.
Auf den Tag genau nach 50 Jahren gedachte die SPD an geschichtlichem Ort ihrer Vereinigung mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) am 21./22. April
1946 in Berlin. In Anwesenheit von Bundespräsident Roman Herzog hatte man sich im einstigen "Admiralspalast", dem heutigen Metropol-Theater, versammelt -
in dem Haus also, wo sich seinerzeit die Verschmelzung beider Parteien zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der damaligen
sowjetisch besetzten Zone, der späteren DDR, vollzog. Symbolisiert wurde dies durch den Händedruck zwischen den beiden damaligen Vorsitzenden Pieck (KPD)
und Grotewohl (SPD).
Die SED galt hiernach als ein Symbol einer einheitlichen sozialistischen Bewegung, eine Partei neuen Typs, mit der nun endlich die Spaltung der deutschen Arbeiterklasse
überwunden war - so weit die Propaganda. Nach der Wende im Jahr 1989 gab sich die SED den Zusatz "Partei des demokratischen Sozialismus", bevor sie
sich schließlich nach einer Übergangszeit nur noch "PDS" nannte und weiterhin als SED-Nachfolgepartei auftritt.
Verfolgung von SPD-Mitgliedern
Ob bei der damaligen Vereinigung nach Lesart der PDS nur Elemente des Zwangs
eine Rolle spielten oder ob es nach dem heutigen Wunschbild der SPD eine
regelrechte Zwangsvereinigung unter Druck war, soll hier nicht weiter erörtert
werden. Tatsache bleibt, daß nach der Vereinigung beider Parteien Mitglieder der
SPD mit Verfolgung, Inhaftierung und Tod das gleiche Schicksal erlitten, wie es auch
Mitglieder der gerade erst gegründeten CDU in der Sowjetischen Besatzungszone
durchmachten, sofern man sich den Verhältnissen nicht durch Flucht in den
Westen entzog.
Die Gedenkveranstaltung für die sozialdemokratischen Opfer der Zwangsvereinigung ist als ein zutiefst heuchlerischer, falscher und schäbiger Akt zu bezeichnen - sowohl aus historischen als auch aus aktuellen Gründen.
Falsch verstandene Entspannung
Viele in der SPD hatten in den Jahren und Jahrzehnten vor der Wende ein falsches
Verständnis von der Entspannungs- und Annäherungspolitik gegenüber der DDR
und damit der SED. Erster Schritt ihrer übertriebenen Anbiederung war die
Aufhebung ihres Ostbüros in Berlin. Jene Mitglieder der SPD, die infolge der
Vereinigung beider Parteien tatsächlich zu Opfern wurden und die unterschiedlichsten
Schicksale durchlitten, gerieten innerhalb ihrer Partei in dem Maße in die Isolation,
wie die SPD sich der Führung der DDR zuwandte.
SED: "Rotlackierte Nazis"
Diesen Sozialdemokraten blieb in Grunde nur der Kurt-Schumacher-Kreis als
Sammelbecken in der SPD übrig. Mancher mußte sich gar als Dissident im eigenen
Lager vorkommen. Kurt Schumacher, legendärer erster Vorsitzender der SPD
nach dem Zweiten Weltkrieg und Überlebender der Konzentrationslager,
hatte erklärt, bei den Machthabern in Ost-Berlin handele es sich um nichts
anders als "rotlackierte Nazis". Diese hellsichtige Bezeichnung hätte die SPD vor der Wende am liebsten aus den Parteigeschichtsbüchern ausradiert.
In diesem Kontext reihte sich nahtlos die Preisgabe der bundesdeutschen
Rechtspositionen durch die SPD ein (gottseidank folgenlos, da in der
Opposition), die Erich Honecker als "Geraer Forderungen" zusammenfaßte:
Anerkennung einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft, Auflösung der
Erfassungsstelle für DDR-Unrechtstaten in Salzgitter, Umwandlung der gegenseitigen
Ständigen Vertretungen in ordentliche Botschaften sowie die Festschreibung der
Flußmitte der Elbe als Grenzlinie der DDR (statt des östlichen Ufers).
In weiten Teilen der SPD hatten in den achtziger Jahren Leute die Meinungshoheit,
die immer noch tief in ihrem klebrig-süßen Achtundsechziger-Mief saßen und längst die DDR als die einzig wahre humanitäre Alternative an die Westseite der Mauer
projezierten. Erst die sich nach der Wende offenbarende Realität machte diesem
Traumbild ein brutales Ende.
Opfer wieder hoch im Kurs?
Vor diesem peinlichen Hintergrund war es für die SPD nur zu verlockend, die
Veranstaltung zum 50. Jahrestag der Zwangsvereinigung als Instrument der
Legendenbildung für ihre vermeintliche Opferrolle von 1946 zu reklamieren. Dabei
bediente man sich nur zu gerne der einst so ignorierten Opfer, indem man sie als
Zeitzeugen vorführte. Alles vergebens?
Wäre die Feierlichkeit auch in dem Rahmen und vor allen Dingen an dem Ort
abgelaufen, wenn das Politbüro der SED im April 1996 noch in Ost-Berlin die Macht
innegehabt hätte?
Freiwillige Vereinigung
Und dies alles vor dem aktuellen Hintergrund einer PDS-geduldeten
rot-grünen Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt. Aber damit noch nicht
genug. Während man in Berlin gedachte, schickte sich der Landesvorsitzende der
SPD in Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, an, die Koalition mit der CDU in
Schwerin zu beenden und eine Vereinigung neuen Stils mit der PDS vorzubereiten. In
letzter Sekunde knirschten, wohl auch mit Nachhilfe aus Bonn, die Notbremsen. Die
Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte diese Vorgänge am 20. April
wie folgt:
"Es ist eine Ironie der Geschichte, daß 50 Jahre nach jenem Ereignis ein übertrieben ehrgeiziger Neu-Sozialdemokrat in Mecklenburg-Vorpommern, ein Mann ohne
Erfahrung in der Leidensgeschichte der Sozialdemokratie in Deutschland, die SPD
an die Seite der PDS bringen will, bevor noch die SPD ihr Aufgehen in der SED vor 50 Jahren verarbeitet hat."
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Aber die dümmsten Kälber haben sich bislang immer noch ihre Metzger selbst ausgesucht.
Wo bleibt da die "Verpflichtung"?
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