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Unwort des Monats: Kids

Auf der Suche nach der eigentlichen Bedeutung von "kid" spuckt das unfehlbare englische Wörterbuch gleich im Dutzend Bedeutungen aus: Zicklein, Kitz (die eigentliche deutsche Entsprechung), umgangssprachlich Kind, im Amerikanischen Jugendlicher.
So weit, so gut. Doch was hat "Kid" im Deutschen zu suchen? Mit Einfügung eines mickrigen "n" haben wir schon das ebenfalls einsilbige "Kind", was doch dassselbe ist.
Oder etwa nicht? Mir scheint: "Kind" ist man einfach, aber "Kid" muß man erst werden. Nicht etwa durch eine Jugendweihe a` la neue Bundesländer (also einer Konfirmation mit Geschenken und ohne den lieben Gott), nein. Wenn ein Kind im zarten Alter von vier oder fünf Jahren Mutter oder Vater im Supermarkt überredet, nicht den No-Name-Schokoriegel, sondern den 80% teureren Markenriegel zu erstehen (der wahrscheinlich aus derselben Fabrik kommt); wenn es auf die mordsmäßig teuren Markenklamotten seiner Freunde besteht, die alle schon Kids sind; wenn das Kind also auf alles abfährt, was teuer ist und angesagt zu sein scheint, ist es ein Kid.
Oder besser: Es gehört zu den Kids. Denn erstaunlicherweise treten "Kids" fast nur im Plural auf.
Egal. Jedenfalls genießt ein Kid viele Vorzüge: Es ist dem unsäglich undifferenzierenden, ja fast kränkenden "Kind" entronnen, dem immer ein Unterton von "unmündig" mitschwingt (schon mal irgendwo gelesen: "Eltern haften für ihre Kids"?). Kids sind zwar auch unmündig, aber es wird so getan, als seien sie es nicht.
Den Erwachsenen steht es schlecht an, darüber die Nase zu rümpfen. Erstens haben sie gar keine Ahnung - sie waren selbst nie Kids, nur Kinder. Zweitens haben sie die Kids selbst erfunden. Drittens sichert der Konsumterror der lieben Kleinen Hunderttausende von Arbeitsplätzen. (Die meisten zwar im Ausland, einige aber auch hier.)
Viertens sind sich Menschen jeder Altersstufe nicht zu schade, immer neue Schubladenfächer zu erfinden, in die man andere hineinstopfen kann - man denke nur an den guten alten Yuppie. Wenn Yuppies heiraten, haben wir einen "dink" (double income, no kids - schon wieder!). Und die großen Geister der Vergangenheit werden unter "dwem" abgelegt ("dead white european men"). Dagegen ist "Kid" wenigstens kein Akronym.
Das unfehlbare Wörterbuch bietet für "kid" aber noch weitere Bedeutungen: Als Substantiv "Fäßchen"; to kid heißt "veralbern, schwindeln"; und: "to handle with kid gloves" - "jemanden mit Glace'handschuhen anfassen".
Mit Glacéhandschuhen behandelte, veralberte Fäßchen - gar keine so schlechte Definition ...
Nur eine Wortbildung mit "kid" hat es verdient, in der deutschen Umgangssprache zu verbleiben: Das gute alte "Kidnapping". Natürlich, "Entführung" tut es auch, aber "Kidnapping" gefällt mir besser. Ich weiß auch nicht, warum.

G.D.