Politik

Ausgesetzt

Neues vom Transrapid

Vom Kanzler zur Chefsache erklärt, von der Bundesregierung abgesegnet und von der Industrie zum Prüfstein für Innovation und Sinnbild des Technologiestandortes Deutschland stilisiert, formiert sich trotz allem der Widerstand gegen die geplante Magnetschwebebahn Transrapid.

Wir erinnern uns, jenes Projekt, welches dereinst zwischen der Hansestadt Hamburg und der Bundeshauptstadt Berlin eine direkte Verbindung herstellen soll. Die rasante Fahrt zwischen diesen beiden Metropolen soll dabei nur durch einen kurzen Zwischenhalt in der mehr provinziell geprägten Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, unterbrochen werden. Für die Aufnahme des Transrapid-Betriebes sind jedoch noch etwa zehn Jahre erforderlich.
Dennoch erlitt dieses ehrgeizige Vorhaben unlängst eine Schlappe. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat die Signale erst einmal auf rot gesetzt, und zwar mit den Stimmen aller Fraktionen. Grund für dieses Verhalten: Ein interner Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes. Die Frankfurter Rechnungsprüfer befürchten höhere Kosten als veranschlagt und niedrigere zukünftige Einnahmen. Die Erwartung ein Fahrgastaufkommens von 40.000 (vier-zig-tau-send) Reisenden täglich gilt als zu optimistisch.


Erster Ausstieg

Während sich die Deutsche Bahn AG an der Transrapid-Betriebsgesellschaft beteiligt, ist seitens der Industrie der erste Ausstieg aus dem Projekt zu vermelden. Der Münchner Baukonzern Dyckerhoff & Widmann (Dywidag) hat sich zwischenzeitlich verabschiedet. Zudem existiert ein Gutachten eines Hamburger Rechtsanwaltes, der das geplante "Bedarfsgesetz" für den Bau des Transrapid als schlichtweg verfassungswidrig einstuft.
Anders als bei der Diskussion um Großprojekte wie Kraftwerke oder Start- und Landebahnen für Flughäfen wird die Auseinandersetzung in Sachen Transrapid beileibe nicht nur von Umweltschützern und betroffenen Bürgern geführt. Es handelt sich durchaus auch um eine ordnungs- und verkehrspolitische Debatte. Sollte sich die ganze Angelegenheit schließlich "nicht rechnen", das heißt im künftigen Betrieb nur rote Zahlen einfahren, tritt automatisch die Sozialisierung des Transrapid-Verlustes ein. Kein geringerer als der Steuerzahler haftet und wird zur Kasse gebeten.
Unsere sich dem weltweiten Wettbewerb stellende Industrie ist hier mit Netz und doppeltem Boden abgesichert. In den Vorstandsetagen scheint in dieser Hinsicht eine Art Planwirtschaftsmentalität zu herrschen.


Vollautomatische Verlustbremse

Das Beispiel des höchst defizitären Eurotunnels, wohlgemerkt in konventioneller Rad-Schiene-Technik ausgeführt und für den Personen- wie für den Güterverkehr zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland ausgelegt, sollte den Verantwortlichen zu denken geben. Dabei kann man dem Eurotunnel-Projekt ja noch durchaus einen Sinn abgewinnen.
Doch das Transrapid-Projekt behindert schon heute die weitere Entwicklung des Raumes zwischen Berlin und Hamburg. Im Rahmen des Verkehrsprojektes "Deutsche Einheit" wird die Eisenbahnstrecke Hamburg - Berlin derzeit für 4,4 Milliarden DM ausgebaut. Die Fahrzeit zwischen diesen beiden Städten beträgt nach Abschluß dieser Arbeiten 1997 exakt 2 Stunden und 11 Minuten (ohne Verspätung).
Um jedoch nicht bereits heute den vermeintlichen Geschäftserfolg des Transrapid zu gefährden, wird diese Schienenverbindung nicht für eine Geschwindigkeit von 200 km/h ausgelegt. Dadurch würde sich nämlich die Fahrzeit auf anderthalb Stunden reduzieren. Der Transrapid soll die Strecke im angenommenen Idealfall binnen 53 Minuten zurücklegen. Sein Vorteil liegt also bei 37 Minuten, gerade mal einer guten halben Stunde!
Entschiede man sich für die leistungsfähigere und schnellere Ausbauvariante der herkömmlichen Rad-Schiene-Verbindung, könnte die Strecke zudem auch das übrige Schienennetz für den Güterverkehr Richtung Osteuropa nachhaltig entlasten. Auf der Magnetschwebetrasse können dagegen keine Güterzüge fahren.


Güterzüge

Zur Zeit verkehren auf dieser Strecke gerade einmal drei Güterzugpaare, deren Anzahl sich um ein Vielfaches steigern ließe, da dafür in erster Linie die Nachtstunden genutzt werden könnten, wo der Personenverkehr weitestgehend ruht.
So bezahlt die Region schon heute ihren Preis für ein Projekt, dessen Umsetzung entgegen allen politischen Absichtserklärungen immer weniger vermittelbar wird. Bei der dritten öffentlichen Anhörung zu diesem Thema am 7. Februar mußte das Hersteller-Konsortium schon Mehrkosten in Höhe von 3 Milliarden DM einräumen. Statt von ursprünglich 8,9 ist nun von 12 Milliarden DM die Rede. Neben Umweltschützern und Grünen sind von Verkehrspolitikern, Gewerkschaftern und sogar Aufsichtsratsmitgliedern der Deutschen Bahn AG kritische Stimmen zu hören, ebenso von Landes- und Kommunalpolitikern und Leuten, denen die (Wirtschafts-)Ordnungspolitik noch etwas bedeutet.


Ausstieg noch billig

Noch ist der Ausstieg für verhältnismäßig kleines Geld zu haben. Am Ende könnte es nämlich sein, daß der Transrapid nicht als Beweis für den Technologiestandort Deutschland dient, sondern zum Mahnmal und zur Investitionsruine einer verfehlten und maßlosen Subventionspraxis am Wirtschaftsstandort Deutschland verkommt. Solange wir in der Bundesrepublik noch genug Geld für eine derartige Förderung der Industrie haben, kann es um den Standort Deutschland so schlecht nicht stehen.