Politik

ICE auf Verliererstraße

Wird der Transrapid zum nächsten Export-Flop?

Wieder einmal mußte die deutsche Wirtschaft einen herben Rückschlag einstecken. Nachdem das ICE-Konsortium, angeführt vom Siemens-Konzern, schon den Wettbewerb um den Auftrag für eine Schnellbahnverbindung in Südkorea gegen GEC Alsthom, die das französische ICE-Pendant TGV herstellen, verloren hatte, zog man nun auch in den USA den Kürzeren. Dieses Mal ging es um den "Nordostkorridor" zwischen Washington, New York und Boston. Dort sollen die Schnellzüge bis zur Jahrtausendwende eine ernstzunehmende Konkurrenz zu Kurzstreckenflügen werden.

Zuverlässigkeit gefragt

Warum die neuerliche Schlappe? Bei Siemens hieß es, der Preisabstand zwischen den Angeboten der beiden Wettbewerber sei zu groß gewesen. Von der US-Eisenbahngesellschaft Amtrak verlautete nach der Entscheidung nur, der ICE habe seit langem "keine echte Chance" mehr gehabt. Der Grund dafür läßt sich an den Fingern einer Hand abzählen: Als Konkurrenz zum Flugzeug muß die Bahnverbindung schnell sein und vor allem zuverlässig. Hier aber ist der französische Superzug dem deutschen meilenweit überlegen. Denn zum Zeitpunkt der ICE-Einführung in Deutschland, als man sich hierzulande mit nicht schließenden Türen und verstopften Toiletten herumärgerte, fuhr der TGV zwischen Paris und Lyon schon jahrelang im Routineeinsatz. (Wie wichtig Amtrak die Pünktlichkeit ist, zeigen die im Vertrag vereinbarten Strafen für Verspätungen. So kostet auf der Strecke New York-Boston eine Minute Verspätung 10.000, jedere weitere Minute sogar 20.000 Dollar.)
Es ist höchst fraglich, ob den ICE-Bauern bei anderen Schnellbahnprojekten in den USA, etwa zwischen San Diego, Los Angeles und San Francisco oder zwischen Detroit und Chicago, mehr Glück vergönnt sein wird. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis der Vorsprung der Franzosen aufgeholt ist.


Deutsche Gründlichkeit

Das neuerliche Debakel mit dem ICE sollte jedenfalls bei den Wirtschaftspolitikern die Alarmglocken läuten lassen. Schließlich droht das Projekt einer Transrapid-Referenzstrecke zwischen Hamburg und Berlin von kirchturmweit denkenden Kommunalpolitikern und selbsternannten Umweltschützern mit typisch deutscher Gründlichkeit zerredet zu werden. Wenn die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik es nicht bald schaffen, die Bremser von der Richtigkeit des Projekts zu überzeugen, wird man auch hier der Konkurrenz, etwa aus Japan, unterlegen sein.

M.W.