Politik

LEeRe Werte

In Brandenburg soll der Religionsunterricht abgeschafft werden

Gut ein halbes Jahr nach dem umstrittenen "Kruzifix-Urteil" droht in Deutschland ein neuer Glaubenskrieg. Wieder geht es das um Verhältnis Staat/Kirche, und wieder sind davon die Schulen betroffen. Allerdings ist dieses Mal nicht der Freistaat Bayern, sondern das "junge" Bundesland Brandenburg der Schauplatz.
Streitobjekt ist der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Dort möchte das Land Brandenburg einen Sonderweg gehen. Anstatt des inhaltlich von den Konfessionen bestimmten Religionsunterrichts, hatte man hier vor einigen Jahren, zunächst als landesweiten Versuch, das Fach "Lebensgestaltung-Ethik-Religionen", kurz LER, eingeführt. Dort sollen den Schülern von religiös ungebundenen Lehrern die verschiedenen Religionen und somit "verschiedene Möglichkeiten zur Lebensgestaltung" vorgestellt werden.


Verfassungsklage?

Der Versuch stößt auf immer stärker werdende Ablehnung von Seiten der Kirchen. Während die katholische Seite ihn von Anfang an strikt ablehnte, war man evangelischerseits zunächst offener für das Projekt. Inzwischen macht sich aber auch hier Ablehnung gegen das Fach LER breit. Hauptargument ist der in Artikel 7, Absatz 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland festgeschriebene Status des durch die Religionsgemeinschaften erteilten Unterrichts als ordentliches Lehrfach.
Demgegenüber sieht das Gesetz, das im März von der Regierung des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) durch den brandenburgischen Landtag gepeitscht werden soll, vor, daß das staatlich erteilte Fach LER nunmehr vom "Versuchskaninchen" zum Regelfach befördert werden soll. Nur in Ausnahmefällen sollen Schüler von diesem Fach befreit werden können, wenn sie dafür die Teilnahme an kirchlich erteiltem Religionsunterricht nachweisen. Doch sogar gegen diese Klausel ist ein Teil der SPD-Fraktion.


Wertefreier Staat?

Inzwischen scheint das LER-Projekt für die brandenburgischen Sozialdemokraten zum Prestige-Objekt geworden zu sein, mit dem sie den Kirchen zeigen wollen, wer die Macht im Staat hat. Die Äußerungen einiger ihrer Politiker zeigen, wie wenig sie vom Sinn und Zweck des Religionsunterrichts verstanden haben.
Bisher herrschte in der bundesdeutschen Bildungspolitik die einhellige Meinung, daß der Staat und somit auch das von ihm getragegene Bildungssystem weltanschaulich neutral sein müsse. Weil aber ein Staat mit weltanschaulich und religiös völlig orientierungslosen Bürgern nicht dauerhaft Bestand haben könnte, hat man die Kirchen über den Religionsunterricht ins Bildungssystem miteinbezogen. Braucht man da die Äußerung eines Potsdamer SPD-Parlamentariers "Was Werte sind in diesem Land, bestimmen wir!" noch zu kommentieren?

Andere Zeiten

Sicherlich haben die Zeiten sich seit der Gründung der Bundesrepublik, gerade was die Religiosität der Bürger betrifft, dramatisch gewandelt. Nur ist es fraglich, ob gerade in einer Zeit, wo immer mehr (junge) Menschen vor Orientierungslosigkeit in Drogen oder zu Sekten fliehen, eine Abschaffung des Relionsunterrichts nicht der Schritt in die falsche Richtung wäre. Kann eine wertungsfreie (oder besser: LEeRe) Vorstellung von Religionen auch nur im entferntesten das ersetzen, was ein von seiner Religion überzeugter Lehrer im Unterricht (zugegebenermaßen im Idealfall) glaubwürdig vertritt?
Ebensowenig wie durch ein Kruzifix im Klassenraum wird ein Schüler durch kirchlich erteilten Religionsunterricht dazu gezwungen, diese Religion auch selbst zu leben. Ihm wird es aber dadurch ermöglicht, sich ein einigermaßen wirklichkeitsgetreues Bild der entsprechenden Kirche, dessen Vetreter der Religionslehrer ja ist, zu bilden. Und dies ist wenigstens ein kleiner Beitrag zur Bekämpfung der oben erwähnten Orientierungslosigkeit.
Apropos Vetreter der Kirche: Da gab es in der ehemaligen DDR einen "Mann der Kirche". Gegen den Vorwurf der Stasi-Kontakte brachte er in jüngster Zeit immer wieder vor, dies zugunsten der Kirche getan zu haben. Dieser Mann heißt auch Manfred Stolpe. Das muß wohl Zufall sein!

M.W.