Editorial

Leverkusener "Vulkan"

Klüngel aus einer Hand: Schluckt die EVL die AWL?

Die Energieversorgung Leverkusen GmbH (EVL) arbeitet mit der Abfallwirtschaftsgesellschaft Leverkusen (AWL) enger zusammen. Das kündigte Oberbürgermeister Mende (SPD) an.
Diese "Zusammenarbeit" könnte in absehbarer Zukunft wohl zu einer Übernahme der AWL durch die EVL führen. Das bedeutete, daß Energieversorgung und Abfallentsorgung in Leverkusen aus der Hand ein und desselben Monopolisten stammen.
Gleichzeitig brechen langsam, aber sicher die Vorwürfe gegen den früheren AWL-Chef Bernd Welzenberg zusammen. Grüne und Bürgerliste sprachen öffentlich aus, was allgemein gedacht wurde: Welzenberg war einer Übernahme der AWL durch die RWE im Wege und wurde deswegen mit fadenscheinigen und ehrabschneidenden Begründungen in die Wüste geschickt.
Die RWE AG ist wiederum zu 50% an der EVL beteiligt (die anderen 50% hält die Stadt). Vermutlich will der Stromkonzern aus Essen bei der Übernahme der Hälfte des Kapitals der AWL mit dem Umweg über die EVL kartellrechtliche Probleme vermeiden.


Gut abgesichert

Personalpolitisch ist alles abgesichert: Welzenberg ist weg, Oberbürgermeister Mende (SPD) wurde in den Aufsichtsrat der RWE Energie AG gewählt (wobei man eine mögliche Interessenkollision hinterfragen müßte), und Kämmerer Wolfgang Sobich (SPD) ist seit kurzem Geschäftsführer der EVL. Der AWL-Geschäftsführerposten wurde bisher nicht dauerhaft neu besetzt. Vielleicht erübrigt sich dies ja.
Hintergrund der ganzen Affäre ist das vehemente Drängen der RWE AG in den Entsorgungsmarkt. Nicht genug damit, daß man regionaler Energiemonopolist ist, will man auch noch möglich viele kommunale Entsorgungsmonopole schlucken. (Gleichzeitig fordert dasselbe Unternehmen möglichst viel Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt, auf dem man sich ebenfalls engagieren möchte.)


Wirtschaftlich?

Grünen-Fraktionschef Gerd Wölwer argwöhnte, die AWL werde in Zukunft nur nach wirtschaftlichen und nicht nach ökologischen Gesichtspunkten geführt. Damit hat er wahrscheinlich nur zur Hälfte recht. Daß EVL und AWL ohne Konkurrenz besonders wirtschaftlich arbeiten werden, ist zweifelhaft.
Der Schritt der EVL ist auch aus einem anderen Blickwinkel interessant. Zur Zeit drängen kommunale Versorgungsunternehmen massiv auf neue Märkte. Solide finanziert aus den Zahlungen der Bürger für Wasser, Gas und Strom, wollen sie in wachsende Märkte wie die Entsorgung und die (lokale) Telekommunikation einsteigen. Dabei werden die rechtlichen Rahmenbedingungen rigoros gedehnt.
Es ist heute keine Ausnahme, wenn sich etwa die Duisburger Stadtwerke in der Gebäudereinigungsbranche versuchen (und die privaten Anbieter vom Markt drängen), wenn die Kölner Stadtwerke sich mit 25,1% am renommierten Kabelhersteller Felten & Guillaume oder am Fernsehsender VOX beteiligen (letzteres mit einem Verlust von 70 Millionen DM).
Die Aufsicht dieser "Konzerne" liegt in den Händen überforderter Ratsherren. Sie ist wahrscheinlich wegen politischer Inzucht noch viel ineffektiver als in der privaten Wirtschaft.
Rein theoretisch sind kommunale Unternehmen wie die EVL oder die Kölner Stadtwerke nur für die "Daseinsvorsorge" zuständig. Doch dank deren starker Lobby ist das Düsseldorfer Innenministerium bei der Beschneidung des Wildwuchses völlig hilflos. Manager, Oberbürgermeister und Ratsherren fühlen sich in Goldgräberstimmung. Doch wie die Verfilzung zwischen Stadt und Wirtschaft ausgehen kann, hat dieser Tage die Pleite der Bremer Vulkan AG gezeigt.


Verdrängung

Im übrigen verdrängen die kommunalen Versorger immer stärker private Unternehmen von den Märkten. Anstatt die Versorger selbst der Konkurrenz auszusetzen, wie es die Europäische Union seit langem fordert, wuchern sie in Bereiche hinein, in denen sie nichts zu suchen haben. Oder was hat der Leverkusener Stromkunde von einer Softwarefirma in Indien?
Es ist schon tragisch, daß die laufende Privatisierungswelle keineswegs zu mehr Wettbewerb und niedrigeren Preisen führt. Die in Leverkusen und Nordrhein-Westfalen praktizierte Privatisierung ist nichts als ein Verschiebebahnhof zwischen staatlich kontrollierten und untereinander verfilzten Institutionen - von der Landesregierung über die WestLB und die RWE bis zu so kleinen Leuchten wie der EVL und der Stadt Leverkusen.


CDU: Friedhofsruhe

Es ist die verdammte Aufgabe der CDU, hier endlich ein Alternativkonzept vorzulegen. Während auf Landesebene ab und zu etwas Mut aufflackert, ist in den Kommunen, auch und gerade in Leverkusen, aber wohl Hopfen und Malz verloren. Aufsichtsratsvorsitzender der AWL ist CDU-Geschäftsführer Lelickens. Er ist sicher von der Richtigkeit des Deals zwischen SPD, CDU, EVL, RWE und der Stadt überzeugt. Aber muß die ganze Partei eigentlich dazu Ja und Amen sagen?
Wo sind eigentlich die Vertreter der reinen Marktwirtschaftslehre, die alle zwei Minuten vom Standort Deutschland (bzw. Leverkusen) reden? Wo ist die Wirtschaftsvereinigung, deren Aufgabe es wäre, wenigstens Alternativen vorzulegen? Wo ist die Mittelstandsvereinigung, die sich gegen das Plattmachen von kleinen Betrieben durch die kommunalen Versorger wehren müßte? Und wo sind ein paar vernünftige Ratsherren, die ihre geistige Unabhängigkeit bewahrt haben? Man hört nichts.

G.D.