Leverkusen
Paradigmenwechsel in der Forschungsstrategie
Aus den Ausführungen von Dr. Detlef Wollweber, Leiter des Ressorts Forschung im Geschäftsbereich Pflanzenschutz der Bayer AG
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
"Paradigmenwechsel in der Forschungsstrategie" - unter diesem Titel möchte ich Ihnen darstellen, wie umfassend wir die Forschungsstrategie des Geschäftsbereichs Pflanzenschutz in den letzten Jahren verändert haben und wie wir sie in Zukunft umsetzen werden.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung im Pflanzen-schutz ist und bleibt eine hervorragende Forschung, die für die Probleme der Landwirtschaft maßgeschneiderte Lösungen entwickelt. Diese müssen wirtschaftlich und technisch überzeugend sein und den zunehmenden An-forderungen im Umwelt- und Toxikologiebereich gerecht werden. Daher besteht ein hoher Bedarf an innovativen Wirkstoffen – eine große Heraus-forderung für die Pflanzenschutzforschung. Bei der Wirkstoffsuche gehen wir neue Wege, die uns zum Erfolg führen sollen:
Mit der neu errichteten Technologie-Plattform im Pflanzenschutz sind wir Vorreiter für die Forschungsstrategie von morgen. Wir werden über einen systematischen Weg unseren Innovationserfolg erhöhen, damit wir schneller neue Wirkmechanismen finden.
Wir kooperieren mit jungen Unternehmen, um mit molekularbiologischen, biochemischen und bioinformatischen Methoden Gene, Proteine und Funktionen bei Pflanzen, Pilzen und Insekten aufzuklären. Diese Informa-tionen nutzen wir bei der Suche nach neuen Wirkmechanismen. Z. B. haben wir für den Bereich der Insektizidforschung ein Joint Venture mit der US-Firma Exelixis gegründet, das den Namen Genoptera trägt und wichtige Gene von Modellorganismen identifiziert.
Ganz gezielt wollen wir unsere Wissensbasis durch eigene Anstrengungen und durch externe Forschungskooperationen ausbauen.
Sinkende Trefferquoten bei der Suche nach neuen Produkten und steigende Kosten bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe erfordern innovative Forschungs-strategien. Der konventionelle Weg, der von den meisten Pflanzenschutzfirmen derzeit noch als einziger Weg verfolgt wird, wird auch bei uns weiterhin Bedeutung haben. Er geht von Substanzen aus, die durch unsere Chemiker kreiert oder von Universitäten und anderen Instituten zugekauft werden. Diese Präparate werden im Gewächshaus an Pilz, Pflanze oder Insekt auf ihre Wirkung überprüft. Die Leitstrukturen, das heißt die Verbindungen, die mit biologischer Aktivität auffallen, werden intensiv weiterbearbeitet. In einem Optimierungskreislauf werden dazu immer neue, analoge Verbindungen synthetisiert und biologisch geprüft, bis letztlich ein Erfolg versprechendes Entwicklungsprodukt gekürt werden kann. Nach Klärung aller relevanten Eigenschaften einer Substanz und weiteren Untersuchungen zu Toxizität, Umweltverhalten und Marktchancen kann daraus ein Handelsprodukt entstehen.
Im Zuge des Optimierungskreislaufs geht es auch darum, die Targets, also die Wirkmechanismen der Verbindungen, zu bestimmen. Bisher oft eine langwierige Aufgabe, die nicht immer von Erfolg gekrönt war. So gibt es auch heute noch eine Reihe von Handelsprodukten, deren Wirkmechanismen nicht bekannt sind. Mit Kenntnis des Targets ist der steinige Weg zum Handelsprodukt jedoch meist einfacher und erfolgreicher zu bewältigen.
Bei Bayer, wie bei allen anderen Pflanzenschutzfirmen, sind auf diese Art und Weise eine Vielzahl von Produkten gefunden worden. Aus unserer über 100-jährigen Historie sehen Sie hier die Highlights der letzten 30 Jahre. Hervorgehoben sind das Azolfungizid Triadimefon und das Insektizid Imidacloprid, die wir – ich glaube zu Recht - als Meilensteine unserer Wirkstoff-Forschung bezeichnen.
Mehr als 25 Produkte der Azolgruppe sind heute von verschiedenen Firmen im Markt. Ihre Umsätze haben sich von anfangs ca. 50 Millionen Euro bis heute auf über 600 Millionen Euro weltweit gesteigert. In den letzten Jahren sind allerdings keine neuen Produkte in dieser Gruppe mehr eingeführt worden.
Die Klasse der Nicotinyle wurde 1991 mit unserem Imidacloprid in den Markt eingeführt. Herr Dr. Wulff hat bereits deutlich auf die große Marktbedeutung des Blockbusters Imidacloprid hingewiesen. Wir werden auch weiterhin Produkte aus unserem Hause mit diesem Wirkmechanismus in den Markt bringen.
Neue Wirkmechanismen sind die beste Basis für solche großen Produkt-erfolge. Verbunden mit neuen Applikationstechnologien und besserem Umweltverhalten erreichen wir so höhere Standards. Deswegen setzen wir alles daran, die Ziele für neue Wirkstoffe, die Targets, zu identifizieren.
Eine Analyse der am Weltmarkt vertretenen Wirkmechanismen zeigt, dass 75 Prozent des Marktes bei den Fungiziden wie auch bei den Herbiziden von Produkten mit nur sechs verschiedenen Wirkmechanismen dominiert werden. Bei den Insektiziden fällt das Ganze noch dramatischer aus:
75 Prozent des Marktes werden von Produkten abgedeckt, die nur zwei Targets treffen.
Innovation über neue Wirkmechanismen ist rar. Abbildung 4 zeigt, wie viele Patentanmeldungen aller Pflanzenschutz-Firmen auf die Top-5-Targets entfallen, die zurzeit in den einzelnen Indikationen bearbeitet werden.
- Bei Fungiziden sind das allein 60 Prozent der Patente. Die Klasse der Strobilurine, die hier mit über 300 Patenanmeldungen vorne liegt, wird bereits seit über 15 Jahren bearbeitet.
- Ähnliches im Bereich der Herbizide: 70 Prozent der Patentanmeldungen fallen auf die Top-5-Targets. Auch hier sind die Mechanismen altbekannt.
- Im Insektizidbereich verteilen sich die Anmeldungen zwar etwas gleichmäßiger über die verschiedenen Wirkmechanismen, aber anhand der geringen absoluten Anzahl der Patentanmeldungen erkennt man, dass auch hier ein Innovationsdurchbruch fehlt.
Der bisherige allgemeine Forschungsansatz, im Wesentlichen chemieorientiert neue Wirkmechanismen zu identifizieren, erweist sich als unzureichend.
Deshalb haben wir einen Paradigmenwechsel in unserer Forschungs-strategie eingeleitet. Wir werden über einen völlig neuen und systematischen Weg unseren Innovationserfolg erhöhen, mit dem wir noch gezielter und schneller neue Wirkmechanismen finden.
Im konventionellen Ansatz war die Aufklärung des Wirkmechanismus ein Hilfsinstrument zur Optimierung von Wirksubstanzen. In Zukunft rücken wir die Identifizierung von neuen Wirkmechanismen in den Vordergrund, ohne bereits über eine chemische Substanz zu verfügen.
In Ergänzung zur bestehenden Methodik haben wir daher eine neue Technologieplattform aufgebaut, mit der wir zunächst neue Targets identifizieren können. In neu entwickelten Testsystemen, einer Art von miniaturisierten und automatisierten Reagenzglasversuchen, lassen sich anschließend große Substanzbibliotheken, die heute durch kombinatorische Chemie zugänglich sind, in einem Hochdurchsatzscreening – kurz HTS genannt (HTS = High-Throughput-Screening) – an den neuen Targets testen. Die Verbindungen, die hier Wirkung zeigen, – wir nennen sie Hits – werden in den bereits bestehenden Optimierungskreislauf eingeschleust und auf ihre biologische Wirkung an Pilz, Pflanze oder Insekt überprüft. Beide Kreisläufe sind also notwendig und lassen sich nicht voneinander abkoppeln. Das bedeutet, dass eine Ausweitung der Forschungsaktivitäten auch unter Investitionsgesichtspunkten notwendig ist.
Parallel dazu wird allerdings weiterhin eine gezielte Auswahl aus den Substanzbibliotheken direkt in unser biologisches Screening eingeschleust.
Welche einzelnen Bausteine benötigen wir für eine solche Technologie-plattform, und wie sollen sie zusammenwirken? Nur mit einem integrierten System sind wir in der Lage, die große Zahl der Targets und Substanzen zu bearbeiten. Bevor ich ins Detail gehe, will ich die einzelnen Komponenten kurz im Zusammenhang darstellen:
- Der Bereich Genomics umfasst die Ermittlung neuer Targets durch molekular-biologische und gentechnologische Methoden sowie die Entwicklung entsprechend neuer Testsysteme.
- Substanzbibliotheken liefern die chemischen Substanzen, die im Hochdurchsatzscreening an den Targets getestet werden.
- Die dabei anfallende enorme Datenflut aus Genomics und HTS wird erst durch intelligenten und modernsten Computereinsatz, durch so genannte Scientific Computation, nutzbar.
- Die identifizierten Hits müssen im Anschluss an die HTS-Prüfungen in unseren Gewächshäusern getestet werden. Da wir wegen der größeren Anzahl von Hits an Kapazitätsgrenzen in den Gewächshäusern stoßen, haben wir hier ein miniaturisiertes Screening, das Mikro-screening, geschaffen.
- Ohne eine leistungsfähige Logistik, die täglich mehrere zehntausend Substanzen konfektioniert, abfüllt und in die Prüfinstitute verschickt, würde ein solches komplexes System nicht funktionsfähig sein.
Mit molekularbiologischen, biochemischen und bioinformatischen Methoden lassen sich Gene, Proteine und Funktionen aufklären. Für diese Arbeiten haben wir umfangreiche Kooperationen mit führenden Genomics-Partnern vereinbart: mit Genoptera, einem Joint Venture von Bayer mit Exelixis, mit Paradigm Genetics und LION Bioscience sowie mit der Arbeitsgruppe um Frau Professor Kahmann von der Universität München.
Das Wissen über das Erbgut von Organismen wächst explosionsartig an. Sie haben sicher vom Genomprojekt beim Menschen gehört, mit dessen Hilfe über die Aufklärung der menschlichen Gene versucht wird, Kranheits-auslöser zu identifizieren. Ähnlich arbeiten wir auch im Pflanzenschutz. Nur wollen wir hier Gene identifizieren, die für die Lebensprozesse in Pilz, Pflanze oder Insekt essenziell sind. Finden wir Substanzen, die diese Prozesse blockieren, haben wir potenzielle Pflanzenschutzmittel.
Das Genom eines Organismus beinhaltet den kompletten Bauplan des Lebens. Die Informationen über den Aufbau einzelner Bausteine sind auf den Genen abgelegt. Diese Information wird über einen "Botenstoff", die Messenger-RNA, von den Genen zu den Baustofffabriken der Zellen, den Ribosomen, weitergeleitet, die auf dieser Basis dann Proteine, das sind Eiweißstoffe, aus Aminosäuren herstellen. Diese Proteine, beispielsweise Enzyme, steuern vielfältige Funktionen in den Lebensprozessen des jeweiligen Organismus und stellen, falls lebensnotwendig, unsere Targets dar.
Mit der US-Firma Paradigm Genetics arbeiten wir an dem Modellsystem eines Wildkrauts, der Ackerschmalwand. Erkenntnisse, die an diesem Organismus gewonnen werden, lassen sich auf andere Pflanzen übertragen. So planen wir, Gene zu finden, die für die Entwicklung von Herbiziden wichtig sind.
Für die Fungizidforschung ist der Maisbeulenbrand ein wichtiges Modell-system. Hier haben wir mit der Firma LION Bioscience in Heidelberg die Genomsequenzierung durchgeführt, auf deren Basis wir jetzt intern mit unserer Zentralen Forschung und der Arbeitsgruppe von Frau Professor Kahmann an der Universität München die essenziellen Gene identifizieren.
Im Bereich der Insektizidforschung sind wir noch einen Schritt weiter gegangen. Wir haben ein eigenes Joint Venture namens Genoptera mit der amerikanischen Firma Exelixis gegründet. Dieses Joint Venture hat die Aufgabe, aus Modellorganismen wie der Fruchtfliege und einer Faden-wurmart wichtige Gene aufzuspüren. Die Arbeit wird dann auch auf wirtschaftlich relevante Schädlinge wie Heliothis, einen bedeutenden Baum-wollschädling, ausgeweitet. Hier, wie auch bei unseren Pflanzen- und Pilz-Systemen, ist die Relation zwischen Genomgröße und Genen in einem Bereich, den man heute wissenschaftlich mit überschaubaren Investitionen abdecken kann. Insgesamt geben wir für all diese Kooperationen mit Dritten über 25 Millionen Euro pro Jahr aus. Die Gesamtvereinbarungen der seit 1998 laufenden Projekte betragen fast 200 Millionen Euro.
Alle diese Kooperationen sind eng mit den Forschungsarbeiten unserer Pflanzenschutz-Molekularbiologie verzahnt. Von uns werden die Prioritäten gesetzt, wissenschaftlich begleitet und durch eigene Aktivitäten ergänzt.
Wie bereits angesprochen, haben Substanzbibliotheken neben der Target-wahl eine entscheidende Bedeutung für den neuen Forschungsansatz. Im Jahre 1999 hatten wir für den Pflanzenschutz in Monheim eine Substanz-bibliothek von ca. 250.000 Substanzen verfügbar. Zielmarke für Ende 2001 ist ein Substanzpool von über 800.000 Verbindungen. Zusätzlich zu unseren internen Arbeiten haben wir dazu - in Zusammenarbeit mit unserem Geschäftsbereich Pharma - Kooperationen mit externen Kombinatorik-Firmen abgeschlossen. Sie stellen durch automatisierte Synthesen Substanz-bibliotheken nach unserer Vorgabe oder auch nach ihren von uns positiv bewerteten Ideen her. Hierfür investieren wir insgesamt über 50 Millionen Euro.
In unserem Hochdurchsatzscreening werden die Substanzbibliotheken automatisiert auf ihre Wirkung an dem jeweiligen Target geprüft. So sind wir in der Lage, die enorm großen Mengen der neu synthetisierten Substanzen außerordentlich schnell durchzutesten. Hier möchte ich darauf hinweisen, dass wir diese Substanzbibliotheken vielfach verwenden können, denn wir testen jeweils nur an einem Target, also auf einen Wirkmechanismus. Da wir jedes Jahr eine Vielzahl neuer Targets in unsere Pipeline einspeisen werden, screenen wir die bestehenden Substanzbibliotheken also immer wieder auf neue Wirkmechanismen.
1999 haben wir hier im Pflanzenschutz unsere erste HTS-Straße eingeführt. Damit werden 10.000 - 30.000 Substanzen pro Tag getestet. Substanzbibliotheken von bis zu 500.000 Verbindungen pro Target lassen sich damit sinnvoll bearbeiten. Das Testen erfolgt in Mikrotiterplatten. Auch hier schreitet die technische Entwicklung rasant voran. Waren es zu Beginn noch so genannte 96-Loch-Platten, mit denen entsprechend 96 Substanzen gleichzeitig getestet werden konnten, sind heute bereits 384-Loch-Platten Standard.
Soeben haben wir ein neues System etabliert, das so genannte Ultra-High-Throughput-Screening (UHTS), mit dem wir den Durchsatz vervielfacht haben. Wir können damit 100.000 - 200.000 Substanzen am Tag messen. So werden Substanzbibliotheken, die deutlich mehr als 500.000 Einzelsubstanzen umfassen, ohne größere Probleme testbar. Auch die Technologie der Test-platten hat sich weiterentwickelt. In näherer Zukunft werden wir auf 1536-Loch-Platten übergehen, die dann den heutigen 384er Standard ablösen. Damit werden auch die Testkosten pro Substanz weiter sinken.
In der neu geschaffenen Abteilung Scientific Computation wird die enorme Datenflut aus Genomics, HTS und Substanz-Bibliotheken EDV-mäßig ausgewertet. Hier unterscheiden wir zurzeit zwischen zwei isolierten Anwendungsgebieten, der Bioinformatik und der Cheminformatik, die wir zukünftig miteinander verschmelzen werden. Für dieses Vorhaben werden wir über die nächsten 2-3 Jahre über 25 Millionen Euro ausgeben.
Die Bioinformatik verarbeitet die in unseren Kooperationen sowie intern anfallenden Informationen und gleicht sie mit öffentlich zugänglichen Genomdaten ab. Darauf basierend entscheiden wir, an welchen Genen wir weiterarbeiten wollen. Ein Bewertungskriterium ist z.B.: Kommen die Gene aus Pflanzen, Pilzen und Insekten auch im Menschen vor? Wenn nicht, haben wir schon von Beginn an eine weitaus höhere Chance, toxikologisch unbedenkliche Substanzen zu finden.
Mit Hilfe der Cheminformatik strukturieren wir z.B. Substanzbibliotheken, die wir zu Prüfzwecken brauchen, so dass sie möglichst unterschiedliche chemische Verbindungen beinhalten. Weiterhin benötigen wir cheminformatische Software, um die Hits, die wir in unserem Hochdurchsatzscreening gefunden haben, unter den Hunderttausenden von geprüften Verbindungen zu identifizieren. Für die Optimierung der Hits zu Leitstrukturen und weiter zu Entwicklungskandidaten helfen uns ebenfalls cheminformatische Methoden.
In einem großen, übergreifenden Projekt werden wir jetzt in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich Pharma die Bereiche Bioinformatik und Cheminformatik miteinander verschmelzen. Hierzu haben wir eine Kooperation mit zwei externen Firmen angestoßen: Mit der Firma LION Bioscience, die führend auf dem Gebiet der Bioinformatik ist, und mit Tripos, einem Spezialisten für Cheminformatik. Ziel ist es, die Datenflut intelligent auszuwerten und vorauszusagen, welcher Forschungsweg eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit aufweist als ein anderer. Dazu ein Beispiel einer solchen Fragestellung: Welche Targets sollte man auswählen, um sie mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit an existierenden Substanzbibliotheken zu testen? Oder: Wie sollen Substanzbibliotheken zugeschnitten werden, um an vorhandenen Targets eine höhere Hit-Rate zu erhalten? Dazu wollen wir u.a. ein virtuelles Screening von Substanzbibliotheken an unseren Targets vorschalten, um die Erfolgswahrscheinlichkeiten im praktisch durchgeführten Hochdurchsatzscreening zu verbessern.
Die Hits, also Treffer, aus dem Hochdurchsatzscreening erfüllen nur eine notwendige Voraussetzung für ein Pflanzenschutzmittel: Sie wirken an dem gewählten Target. Darüber hinaus gibt es jedoch weitere wichtige Parameter, die erfüllt werden müssen: so vor allem die Aufnahme und Verteilung im Zielorganismus, damit die Wirksubstanz überhaupt zum Target gelangt. Um das herauszufinden, müssen wir die Hits am Zielorganismus, d.h. an Pflanze, Insekt oder Pilz, direkt prüfen.
Unser bestehendes Gewächshausscreening benötigt dazu allerdings 50-80 mg einer solchen Prüfsubstanz. Diese Mengen stehen uns in aller Regel nicht zur Verfügung, zumeist enthalten unsere kombinatorischen Biblio-theken nur wenige Milligramm einer jeden Substanz. Wenn wir die vielen Hits aus dem HTS-Verfahren mit einem solchen Gewächshausscreening bestätigen wollten, müssten wir zum einen die notwendigen Substanz-mengen nachsynthetisieren, was sehr aufwändig ist, zum anderen würde die Anzahl von Hits den Rahmen unserer Gewächshauskapazitäten sprengen.
Deshalb haben wir schon vor einigen Jahren begonnen, unsere Screening-systeme zu miniaturisieren. Wir können heute an ausgewählten Modell-organismen überprüfen, ob die aus dem Hochdurchsatzscreening kommenden Hits eine interessante biologische Aktivität besitzen. Die Kapazität beträgt pro Anwendungsbereich um die 100.000 Substanzen pro Jahr. Das Ganze ist ebenfalls automatisiert worden. Die Vorteile liegen damit auf der Hand: Es geht schneller, es ist preiswerter, die Kapazität ist sehr viel höher, und die Testmenge ist vor allen Dingen mit weniger als 1 mg pro Substanz viel geringer als in einem herkömmlichen Gewächshausscreening. Zudem blockieren wir unsere Kapazität im Gewächshaus nicht, denn diese Unter-suchungen benötigen wir natürlich weiterhin für die Optimierungsarbeiten an den identifizierten Leitstrukturen.
Alle diese Aktivitäten sind nur möglich, wenn eine ausgeklügelte und gut funktionierende Logistik im Hintergrund arbeitet. Zehntausende Substanzen in Mikrogrammmengen müssen täglich in Mikrotiterplatten den verschiedenen Screeningsystemen zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich müssen Einzelsubstanzen in Milligrammmengen und Bruchteilen davon konfektioniert werden. All diese Prozesse haben wir in einer neuen Forschungslogistik zusammengefasst. Wir erstellen zurzeit ein Flaschenlager, das über zwei Millionen Stellplätze für Einzelsubstanzen verfügt, und ein Testplattenlager, das über 100.000 Testplatten handhaben kann. Beide werden im nächsten Jahr bezugsfertig sein. Die Investition für diese Logistiksysteme beläuft sich auf über 20 Millionen Euro.
Die Bayer-Pflanzenschutzforschung und die Produktentwicklung sind in den letzten Jahren sehr erfolgreich gewesen. Wir haben nahezu alle Entwicklungskandidaten zur Zulassung und damit in den Markt bringen können – eine bestechende Bilanz. Diesen Erfolg fortzuführen und noch weiter zu steigern ist das Ziel aller gemeinsamen Anstrengungen hier in unserem Hause.
Die Forschung legt sozusagen "nur" das Fundament, auf dem dann mit den neuen und innovativen Substanzen weitergearbeitet werden kann. So folgen nach deren Identifikation in der chemischen und biologischen Forschung intensive Arbeiten in unseren Biologielabors und auf Versuchsfeldern rund um den Globus, um mehr über deren biologische Leistungsfähigkeit zu erfahren.
Parallel dazu haben wir in den letzten Jahren ein sehr erfolgreiches Früh-Screening zur Abklärung des Nebenwirkungsprofils entwickelt, d.h., wir können schon nach den ersten drei Testjahren eine recht umfassende Bewertung der Toxikologie und der ökologischen Eigenschaften vornehmen. Hinzu kommt zusätzlich die Abschätzung wirtschaftlich relevanter Fakten wie Produktionskosten und Marktpotenzial.
Die gesamten Ergebnisse der ersten drei Prüfjahre, die mit noch relativ begrenztem finanziellen Aufwand bewältigt werden können, führen entweder zur definitiven Entwicklungsentscheidung oder zum Aus für eine Substanz. Im positiven Falle werden damit auch erhebliche Geldmittel freigegeben, um alle Studien für die spätere Zulassung zu erarbeiten. Diese kann im Normalfall nach rund sieben Jahren beantragt werden.
Alle Entwicklungsphasen werden ständig und intensiv durch ein spezielles Projektmanagement begleitet, das im Verbund mit allen beteiligten Unter-nehmensbereichen für eine effiziente, kostengünstige und schnelle Entwicklung innovativer Wirkstoffe aus der Forschung sorgt.
Unsere neue Technologieplattform wird die Wirkstoffsuche revolutionieren und uns die Pole-Position der forschenden Pflanzenschutzfirmen sichern. Damit sehen wir sehr gute Chancen für neues Wachstum und insbesondere für "Neue Meilensteine aus der Bayer-Wirkstoff-Forschung".
Quelle: Pressemitteilung der Bayer AG vom 02.11.2000
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Letzte Änderungen: 02.11.2000