Zoll-Zugriff in Nordrhein-Westfalen gegen Schwarzarbeitsnetzwerk


Archivmeldung aus dem Jahr 2018
Veröffentlicht: 30.01.2018 // Quelle: Zoll

Ein weitverzweigtes mutmaßliches kriminelles Netzwerk in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Schwarzarbeit konnte heute durch den Zoll im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wuppertal durch einen massiven landesweiten Zugriff (u.a. in Leverkusen) mit mehr als 1.120 Einsatzkräften zerschlagen werden. Im Gesamtzusammenhang der beim Hauptzollamt Krefeld eingerichteten Sonderkommission Moses wurden ab den frühen Morgenstunden knapp 140 Objekte durchsucht.

Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert von der federführenden Staatsanwaltschaft Wuppertal und Direktionspräsident der Generalzolldirektion, Dr. Armin Rolfink, teilten im Rahmen einer Pressekonferenz mit, dass gegen acht Hauptbeschuldigte wegen besonderer Gefährdungslagen Haftbefehle durch Spezialeinsatzkräfte vollstreckt wurden.

Es handelt sich nach Angaben von Dr. Armin Rolfink um den bisher größten Schlag gegen die Schwarzarbeit in Nordrhein-Westfalen, der den Ermittlern des Zolls gelungen ist. Auch bundesweit handelt es sich um einen der schwerwiegendsten Fälle im Bereich der Aufdeckung von Taten im Rahmen der organisierten Formen der Schwarzarbeit.

Im Ermittlungszeitraum ab 2016 hat die Sonderkommission Moses bisher 14 solcher mutmaßlicher Servicefirmen in diesem Ermittlungskomplex identifiziert, die gesteuert durch die acht Hauptbeschuldigten mit 28 zwischengeschalteten Strohmännern betrieben worden sein sollen. Durch die Tätergruppierung sollen auf diesem Wege mehr als 450 bisher in den Ermittlungen bekannt gewordene, aktiv am Markt tätige Baufirmen in dieser illegalen Art und Weise erstellte Scheinrechnungen in Höhe von mindestens 48 Millionen Euro erhalten haben.

Gegen diese mehr als 450 "Rechnungskäufer" wurden bei den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen eigene Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Zugriff heute wurden neben den Beschlüssen der federführenden Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen die mutmaßlichen Haupttäter im Zusammenhang mit dem Geflecht an Scheinfirmen Beschlüsse von acht weiteren Staatsanwaltschaften abgearbeitet und damit gegen die Käufer von knapp der Hälfte (23 Millionen Euro) der illegalen Rechnungen entsprechende strafprozessuale Maßnahmen durchgeführt. Solche Maßnahmen fanden unter anderem im Auftrag der Staatsanwaltschaften Aachen, Bochum, Bonn, Duisburg, Dortmund, Essen und Hagen statt.

So wurden durch die Einsatzkräfte heute landesweit rund 140 Wohnungen und Geschäftsräume aufgrund richterlicher Beschlüsse durchsucht, um Beweismaterial zu sichern und Vermögensabschöpfungsmaßnahmen durchzuführen. Es wurden unter anderem mehrere Waffen (Waffen, Armbrüste, Äxte) und Bargeld im Wert von über 330.000 Euro sichergestellt. Sichergestellt wurden außerdem zahlreiche Pkws, wie Audi A8, VW Amarok oder BMW 5.

Die Gesamtsumme der Arrestierungen beläuft sich auf 6.300.000 Euro. Die Pfändungsbeschlüsse liegen bei 9.800.000 Euro.

"Dies ist ein großartiger Erfolg der Sonderkommission Moses des Hauptzollamts Krefeld", so Direktionspräsident Dr. Armin Rolfink. "Das sind die Früchte der Konzentration der Schwarzarbeitsbekämpfung des Zolls auf die Aufklärung komplexer Straftaten im Bereich der organisierten Formen von Schwarzarbeit." Den durch derart organisierte Formen von Schwarzarbeit entstehenden volkswirtschaftlichen Schaden bezeichnete er als "enorm".

"Nur durch das enge gemeinsame Vorgehen mit der Staatsanwaltschaft und den Zusammenarbeitsbehörden ist es uns möglich gewesen, einen solchen Ermittlungskomplex zu stemmen", so der Sprecher der Sonderkommission, Dr. Horst, der außerdem die "hochprofessionelle Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Wuppertal" heraushob.

Zugriffe der Sonderkommission erfolgten heute in Bedburg, Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Erkrath, Essen, Frechen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Hennef, Kempen, Kerpen, Köln, Leverkusen, Lüdenscheid, Lünen, Moers, Monheim, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Pulheim, Recklinghausen, Rheinberg, Selm, Siegburg, St. Augustin, Wesel, Witten und Wuppertal.
Der Tätergruppierung wird vorgeworfen, über ein von ihr betriebenes Scheinfirmengeflecht im Baugewerbe sogenannte Schein- und Abdeckrechnungen im bisher ermittelten Umfang von rund 48 Millionen Euro für mehr als 450 in Nordrhein-Westfalen am Markt tätige Bauunternehmen auf deren Anforderung hin erstellt zu haben.

Diesen Rechnungen sollen in den meisten Fällen keinerlei tatsächlich erbrachte Leistungen zugrunde gelegen haben. Die bezahlten Rechnungsbeträge sollen nach Abzug einer "Provision" an die bestellenden Unternehmen zurückgeflossen sein. Diese sollen die Rechnungen widerrechtlich im Geschäftsbetrieb als Betriebsausgaben eingebucht und somit Steuern und Sozialversicherungsabgaben hinterzogen haben.

Mit dem zurückgeflossenen Schwarzgeld sollen sodann illegale Gewinne realisiert und eingesetzte Schwarzarbeiten "entlohnt" worden sein, ohne die fälligen Abgaben abzuführen. Der bisher ermittelte Gesamtschaden beläuft sich auf mindestens 35 Millionen Euro.

Die Haupttäter sollen nach Angaben von Oberstaatsanwalt Baumert als Mitglieder einer Bande fortgesetzt die folgenden Taten begangen haben:

Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall gemäß § 370 Absätze 1 und 3 Abgabenordnung (AO)
Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 370 Absatz 1 AO
Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB)
Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 266a Absatz 2 StGB
Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der Sozialkassen des Baugewerbes gemäß § 263 StGB

Für den Fall einer Verurteilung drohen den Tatverdächtigen langjährige Freiheitsstrafen. Sollte der Tatvorwurf der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall in einer späteren Hauptverhandlung vor Gericht nachgewiesen werden, drohen je Tat Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Zudem drohen den Beschuldigten Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe.

Es wurden Haftbefehle vollstreckt gegen eine beziehungsweise einen:

72-jährigen Mann, staatenlos
56-jährigen Mann, serbisch
56-jährigen Mann, serbisch
52-jährigen Mann, bosnisch-herzegowinisch
51-jährigen Mann, israelisch
49-jährige Frau, deutsch
40-jährigen Mann, serbisch
31-jährige Frau, deutsch-kasachisch

Die Sonderkommission Moses in Krefeld hat den Zugriff heute generalstabsmäßig vorbereitet und Zöllnerinnen und Zöllner aus 30 Hauptzollämtern bundesweit in Nordrhein-Westfalen zusammengezogen. Diese wurden unterstützt durch Einsatzkräfte der Steuerfahndung und Spezialeinsatzkräfte des Zollkriminalamts, der Zollfahndung sowie der Bundespolizei. Aufgrund von Aufklärungserkenntnissen der Ermittler bei Hauptbeschuldigten waren konkrete Gefährdungslagen bekannt. Die Zugriffe der Spezialeinsatzkommandos wurden in den frühen Morgenstunden in zwei Wellen durchgeführt und verliefen ohne Zwischenfälle. Alle mit Haftbefehl belegten Beschuldigten wurden verhaftet und werden dem Haftrichter vorgeführt.


Modus Operandi
Den Modus Operandi der mutmaßlichen Tätergruppierung stellte der Sprecher der Sonderkommission Moses, Dr. Heinz Michael Horst, vor:

Dabei sollen die Haupttäter die Gründung einer sogenannten "Servicefirma" durch einen "Strohmann" anstoßen, der sämtliche erforderlichen Behördengänge erledigt, um mit der Firma danach am Markt als nach außen legal erscheinendes Unternehmen auftreten zu können. Sodann sollen die Firmenkonten bei Banken durch die Strohmänner eröffnet und Kontobevollmächtigungen auf Hauptbeschuldigte eingetragen werden, sodass diese uneingeschränkten Zugriff erlangten. Danach werde eine solche Firma umgehend genutzt: Anfordernden und tatsächlich in der Baubranche Aufträge ausführenden Unternehmen sollen fiktive Rechnungen über Bauleistungen ausgestellt werden, die in den meisten Fällen niemals erbracht werden.

So soll eine "Servicefirma" innerhalb kurzer Zeit hohe Umsätze erwirtschaften. Diese Umsätze sollen jedoch gesteuert über die Haupttäter umgehend in bar von den Geschäftskonten abgehoben und als sogenannte "Kick-Back-Zahlungen" an die in Ermittlerkreisen als "Rechnungskäufer" bezeichneten Unternehmen zurückgegeben werden. Für diesen kriminellen "Service" sollen die Haupttäter eine Provision zwischen etwa fünf und zehn Prozent der Rechnungsbeträge einbehalten.

Es gibt weitere Variationen dieses Modus Operandi.

Schon nach kurzer Zeit würden die Servicefirmen liquidiert, abgemeldet oder stellten ihre kriminellen Tätigkeiten ein. Die Strohmänner tauchten danach regelmäßig ab. Nachfolgend sollen dann weitere solcher vorbereiteten Servicefirmen eingesetzt worden sein.


Anschriften aus dem Artikel: Alte Landstr 129, Albert-Einstein-Str 58

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