Oberbürgermeister beanstandet Ratsbeschluß zur Finanzierung der Schulsozialarbeit


Archivmeldung aus dem Jahr 2014
Veröffentlicht: 09.09.2014 // Quelle: Internet Initiative

Oberbürgermeister Buchhorn hat heute mit folgendem Schreiben an alle Ratsmitglieder den Beschluß zur Finanzierung der Schulsozialarbeit beanstandet

"Sehr geehrte Damen und Herren,

der Rat der Stadt Leverkusen hat in seiner Sitzung am 25.08.2014 zu Tagesordnungspunkt 25 "Sicherstellung der Schulsozialarbeit" u. a. Folgendes beschlossen:

"Zur Ausfinanzierung der Schulsozialarbeit für die nächsten Jahre werden die überschüssigen Rückstellungen in Höhe von 3,9 Mio. Euro aus dem abgeschlossenen Klageverfahren ´Rossmann´ verwendet."

Dieser Beschluss, der zur Finanzierung der bisher nicht etatisierten Fortsetzung der zusätzlichen Schulsozialarbeit aus dem Bildungs- und Teilhabepaket dienen soll, ist rechtswidrig. Er verstößt sowohl gegen die Gemeindehaushaltsverordnung als auch gegen die materiellen haushaltsrechtlichen Vorgaben der Gemeindeordnung.

Da der vorgenannte Beschluss des Rates geltendes Recht verletzt, wird er gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 GO NRW von mir hiermit beanstandet.

Bei gesetzwidrigen Ratsbeschlüssen besteht für den Oberbürgermeister eine Beanstandungspflicht, er hat insoweit keinen Ermessensspielraum.

Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass der Ratsbeschluss zurzeit nicht umgesetzt werden kann.

Die Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

1. Verstoß gegen die §§ 22 Abs. 3; 36 Abs. 6 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) NRW
Der Ratsbeschluss sieht vor, den nicht für den mittlerweile abgeschlossenen Vergleich im Verfahren "Rossmann" benötigten Teil der zum Bilanzstichtag 31.2.2012 gebildeten Rückstellung in Höhe von 3,9 Mio. € (Rückstellungssumme 7 Mio. € abzüglich der netto durch die Stadt zu tragenden Vergleichssumme von 3,1 Mio. €) zur "Ausfinanzierung der Schulsozialarbeit" zu "verwenden".

Die damit beschlossene "Verwendung" der nicht benötigten Teile der Rückstellung ist haushaltsrechtlich nicht möglich. Gemäß § 36 Abs. 6 GemHVO sind Rückstellungen aufzulösen, wenn der Grund hierfür entfallen ist. Mit Abschluss des Vergleichs ist der Grund für die hier fraglichen Rückstellungsteile entfallen und sie sind nunmehr aufzulösen, was zu einem Ertrag in 2014 führt, der ergebnisverbessernd Teil des Jahresabschlusses 2014 sein wird.

Eine "Verwendung" dieses im Jahr 2014 entstehenden Ertrags im Sinne einer Übertragung oder eines in anderer Weise zu bewerkstelligenden Erhalts als Deckungsmittel für die Finanzierung der zusätzlichen Schulsozialarbeit in den Haushaltsjahren 2015ff ist nach der GemHVO nicht zulässig. Diese sieht einen Erhalt der Verfügbarkeit von Erträgen in folgenden Haushaltsjahren gemäß § 22 Abs. 3 GemHVO nur für den Fall vor, dass es sich um aufgrund rechtlicher Verpflichtungen zweckgebundene Erträge handelt. Diese bleiben zur Erfüllung des Zwecks bis zur Fälligkeit der letzten Zahlung für ihren Zweck verfügbar.

Der durch die Auflösung der Rückstellung für die befürchteten höheren Schadensersatzverpflichtungen aus dem "Rossmann-Verfahren" resultierende Ertrag ist aber kein solcher Ertrag, der aufgrund rechtlicher Verpflichtung für die Finanzierung der Schulsozialarbeit gemäß § 22 Abs. 3 GemHVO zweckgebunden wäre. Er hat vielmehr als Ertrag aus der Auflösung nicht mehr benötigter Rückstellungen überhaupt keine Zweckbestimmung und ist daher zwingend als allgemeines Deckungsmittel dem Jahresabschluss 2014 zuzuführen.

Daher folgt aus den §§ 22 Abs. 3; 36 Abs.6 GemHVO, dass der nicht für den mittlerweile abgeschlossenen Vergleich im Verfahren "Rossmann" benötigte Teil der zum Bilanzstichtag 31.12.2012 gebildeten Rückstellung in Höhe von 3,9 Mio. € (Rückstellungssumme 7 Mio. € abzüglich der netto durch die Stadt zu tragenden Vergleichssumme von 3,1 Mio. €) nicht zur "Ausfinanzierung der Schulsozialarbeit" "verwendet" werden kann.

2. Verstoß gegen § 75 Abs. 7 GO NRW in Verbindung mit der Haushaltsverfügung der Bezirksregierung vom 28.04.2014
Gemäß § 75 Abs. 6 GO NRW ist die Stadt rechtlich verpflichtet, alles zu tun, um den weiteren Verzehr des Eigenkapitals zu reduzieren und so schnell wie möglich einen Wiederaufbau von Eigenkapital einzuleiten. Dies wird konkretisiert durch die Haushaltsverfügung der Bezirksregierung vom 28.04.2014. Gemäß Punkt 8 der Verfügung sind "Verbesserungen im HH-Vollzug ausschließlich zur Minderung des negativen Jahresergebnisses einzusetzen" (Prognose 2014 zurzeit ca. - 40 Mio. €, Satzung HH 2014 rd. - 32 Mio. €).

Dies ist eine Standardformulierung in allen der Verwaltung bekannten Verfügungen der Aufsichtsbehörden für vergleichbare Stärkungspaktkommunen. Weiterhin kommen gemäß Punkt 10 der Haushaltsverfügung "neue freiwillige Leistungen in der Regel nur in Betracht, wenn sie durch Wegfall bestehender freiwilliger Leistungen mindestens kompensiert werden".

Diese Vorgaben dienen drei Zielen, nämlich
- der Wiederherstellung des Ausgleichs des Erfolgsplans (konsumtiver Haushalt),
- der Reduzierung des Bestands der Kassenkredite,
- der Reduzierung bzw. ab spätestens 2018 völligen Beendigung des Eigenkapitalverzehrs.

Von der Vorgabe, neue freiwillige Ausgaben nur durch Streichung bestehender freiwilliger Ausgaben zu finanzieren, kann nur in eng umgrenzten Einzelfällen eine punktuelle Ausnahme gemacht werden. Angesichts der hohen sozialpolitischen Bedeutung der Schulsozialarbeit ist es nach der Rechtsauffassung der Verwaltung an dieser Stelle möglich, diese neue freiwillige Leistung ausnahmsweise durch neue zusätzliche Erträge und nicht zwingend durch die Kürzung bestehender freiwilliger Leistungen zu finanzieren. Dies findet allerdings dort seine Grenzen, wo eine solche Finanzierung durch zusätzliche Erträge zwar eine formale Deckung in der Jahresrechnung ermöglicht, aber dennoch einen entsprechenden Verzehr des Eigenkapitals und eine Erhöhung des Kassenkreditvolumens nicht verhindert.

Eine solche Deckung neuer freiwilliger Ausgaben ist eben kein für den Haushalt neutraler Vorgang, sondern trägt zur Verschlechterung der Haushaltslage bei. Daher kann eine ausnahmsweise Finanzierung neuer freiwilliger Ausgaben durch neue Erträge nur dann zulässig sein, wenn sie einen echten materiellen Ausgleich darstellt und insbesondere die genannten Ziele hinsichtlich Haushaltsausgleich, Eigenkapitalerhalt und Kassenkreditvolumen nicht beeinträchtigt.

Dies ist aber bei der vom Rat beschlossenen Finanzierungsmethodik nicht der Fall. Durch eine "Verwendung" (die wie dargelegt schon nach der Gemeindehaushaltsverordnung nicht zulässig wäre) würde ein Ertrag in Höhe von 3,9 Mio. € dem Jahresabschluss 2014 entzogen und daher in diesem Volumen eine Eigenkapitalreduzierung bewirken. Weiterhin ist mit dem aus einer Rückstellungsauflösung verbundenen Ertrag kein Liquiditätszufluss verbunden, so dass die Umsetzung dieses Vorschlags eine Erhöhung des Kassenkreditvolumens in Höhe von 650.000 € p.a. (bis zum Ablauf des HSP-Zeitraumes in Jahr 2021 insgesamt 4,55 Mio. €) mit sich bringen würde.

Dies wäre mit den beschriebenen Zielen des Haushaltssanierungsplans und der diesem zugrundeliegenden Verfügung der Kommunalaufsicht nicht vereinbar. Zulässig kann ein hier einsetzbarer zusätzlicher Ertrag nur dann sein, wenn er - wie die seitens der Verwaltung vorgeschlagene Hebesatzerhöhung bei der Grundsteuer B - weder einen negativen Einfluss auf das Eigenkapital noch auf die Höhe der Kassenkredite hat.


3. Zusammenfassung
Der Beschluss des Rates vom 25.08.2014 verstößt sowohl gegen die §§ 22; 36 GemHVO als auch gegen § 75 GO NRW im Verbindung mit der Haushaltsverfügung der Bezirksregierung. Er ist gemäß § 54 Abs. 2 S.1 GO NRW zu beanstanden. Da der Ratsbeschluss ohne eine rechtmäßige Finanzierungsregelung nicht umsetzbar ist, ist der Ratsbeschluss entsprechend § 139 BGB insgesamt (in allen Punkten) zu beanstanden."


Anschriften aus dem Artikel: Alte Landstr 129, Albert-Einstein-Str 58

Kategorie: Politik
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