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Baytron P® – Tor zu einer neuen Polymer-Generation

Von der Grundlagenforschung zum marktfähigen Produkt


Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit wuchs das Wissen so schnell. Internet und globaler Wandel haben die technischen und gesellschaftlichen Vorraussetzungen dafür geschaffen. Doch mehr Wissen bedeutet nicht zwangsläufig leistungsfähigere Technik und sicherere Produkte. Dazu bedarf es weiterer Qualitäten: Baytron P® ist ein Beispiel dafür. Mit seinen herausragenden Eigenschaften öffnet dieser Chemiewerkstoff das Tor zu einer neuen Polymer-Generation.

Kunststoffprodukte sind leicht, langlebig, lassen sich leicht verarbeiten und sie sind preiswert. Sie haben daher die klassischen Werkstoffe Metall und Glas in sehr vielen Anwendungsbereichen ersetzt. Wenn es allerdings darum geht, elektrischen Strom zu leiten, dann sind Metalle oder Halbleiter auf Basis Silizium bislang nicht zu schlagen. Der Grund ist einfach: die herkömmlichen Kunststoffe sind gute Isolatoren. Das liegt an ihrem Aufbau. Im Gegensatz zu den Metallen, liegen die sogenannten Leitungsbänder bei den Kunststoffen so weit auseinander, dass unter normalen Bedingungen keine Elektronen fließen können.

Dennoch versuchen Wissenschaftler seit Jahrzehnten, die vielen positiven Eigenschaften der Kunststoffe um die der Leitfähigkeit zu ergänzen. Erste Versuche dazu unternahm Hideki Shirakawa vor über einem Vierteljahrhundert. Seine Idee war es, einen Kunststoff mit einer Struktur herzustellen, die einen Elektronenfluss erlaubt. Polyacetylen war sein Kandidat. Aufbauend auf den Arbeiten von Karl Ziegler stellt er Polyacetylen her. Die Erwartungen erfüllten sich jedoch nicht. Erst als in seinem Laboratorium versehentlich das tausendfache der sonst üblichen Menge an Katalysator verwendet wurde, entstand ein silbrigglänzender Kunststofffilm, der Eigenschaften wie der Halbleiter Silicium hatte. Gemeinsam erforschten Alan G. Mac Diarmid, Alan J. Heeger und Hideki Shirakawa die physikalischen Grundlagen, die dem Phänomen zu Grunde lagen. Es gelang ihnen, durch Zugabe von Jod die elektrische Leitfähigkeit drastisch zu verbessern. Spätere Arbeiten zeigten, dass man bei speziell präparierten Katalysatoren, Jodzugabe und mechanischem Strecken des Polymers, fast ein Fünftel der Leitfähigkeit des Kupfers erreichen kann. Die "synthetischen Metalle" waren geboren. Aufrollbare Displays, durchsichtige elektrische Schaltkreise oder Leiterbahnen aus Plastik waren in greifbare Nähe gerückt.

Es sollte aber noch zwei Jahrzehnte dauern, bis die ersten Laborergebnisse in die Praxis überführt werden konnten. Wichtigster Grund für die lange Entwicklungszeit war die chemische Instabilität: Luftsauerstoff und Feuchtigkeit zerstörten das Polyacetylen.

Forscher von Hochschulinstituten und der Industrie synthetisierten daraufhin stabilere Polymere auf Basis von Pyrrol, Anilin und Thiophen. 1993 gelang es den Bayer-Forschern Friedrich Jonas, Gerhard Heywang und Werner Schmidtberg, einen besonders langzeitstabilen elektrisch leitenden Kunststoff herzustellen: Poly-3,4-ethylendioxythiophen. Probleme gab es allerdings noch bei der Verarbeitung. Viele Experimente waren nötig, um den Kunststoff "in Lösung" zu bringen. Als dies gelang, konnte man ihn zu dünnen Filmen vergießen und dadurch auch verarbeiten. Eine Verbindung aus Poly-3,4-ethylendioxythiophen und Polystyrolsulfonsäure erwies sich als besonders praxistauglich und wird als Baytron P® vertrieben. Die Einsatzgebiete sind z.B. antistatische Beschichtungen.

Ein Beispiel aus der Praxis sind fotografische Filme. Diese werden beim Auf- und Entrollen elektrostatisch aufgeladen, was zu unkontrollierten Entladungsvorgängen, dem sogenannten "Verblitzen" führt. Das Resultat sind weiße Flecken auf den entwickelten Bildern. Die Bayer-Beteiligungsgesellschaft Agfa beschichtet daher ihre Filme mit einer hauchdünnen, aber immer noch elektrisch leitfähigen Schicht aus Baytron P®. Nur geringe Mengen der blauen Flüssigkeit sind dafür nötig. Das menschliche Auge kann die Farbe des Polymers in der ultradünnen Schicht nicht mehr wahrnehmen. Verpackungsfolien für Elektronikbauteile können auf vergleichbare Weise antistatisch ausgerüstet werden.

Leiterplatten sind ein weiteres Anwendungsfeld. Die Platten bestehen aus Epoxidharz, die beidseitig mit Kupfer beschichtet sind. Die elektronischen Bauteile werden auf der oberen Seite platziert, die elektrischen Kontakte werden auf der unteren Seite hergestellt. Um einen gezielten Kontakt zwischen den Seiten herzustellen, müssen die Bohrlöcher innen leitfähig gemacht werden. Dazu wird 3,4-Ethylendioxythiophen an der Innenwand der Bohrlöcher polymerisiert. Anschließend wird auf diesem elektrisch leitfähigem Kunststoff Kupfer galvanisch abgeschieden; der Kontakt zwischen Ober- und Unterseite ist hergestellt.

Die Leistungsfähigkeit von Kondensatoren, die in Handys, Laptops und Camcordern eingesetzt werden, hängt unter anderem von der Leitfähigkeit der eingesetzten Materialien ab. Da Kunststoff auf Basis Poly-3,4-ethylendioxythiophen deutlich leitfähiger als Mangandioxid ist, ersetzt dieser zunehmend die klassische Mangandioxid-Kathode.

Die Anwendungen im Bereich der Leiterplatten, Kondensatoren und antistatischen Folien zeigen, dass elektrisch leitende Polymere technische Produkte oder Herstellungsprozesse verbessern. Gleiches gilt auch für organischen Leuchtdioden (LEDs), die in Zukunft in der Multimediawelt eine immer wichtigere Rolle spielen werden als Displays in Videorekordern, Uhren, Handys oder als superflacher Fernsehschirm.

Grundlage der LEDs ist die Eigenschaft bestimmter Kunststoffe, unter dem Einfluss von elektrischen Potentialen Licht auszusenden – die Elektrolumineszens. Richard Friend und Andrew Holmes aus Cambridge haben dieses Phänomen vor etwa zehn Jahren entdeckt und darauf aufbauend die ersten organischen Leuchtdioden entwickelt. Diese enthalten im einfachsten Fall eine Leuchtschicht zwischen einer positiven und einer negativen Elektrode. Langlebige Dioden enthalten noch ein Trägermaterial aus Kunststoff oder Glas sowie Zusatzschichten, die den Aufbau verbessern. Liegt zwischen den Elektroden eine bestimmte Spannung an, dann werden Prozesse gestartet, die nach Bruchteilen von Sekunden Licht abstrahlen Durch die Verwendung organischer Moleküle können Displays flächig und in vielen unterschiedlichen Farben leuchten. Mit einer Spannung von unter zehn Volt, und Lichtausbeuten von circa zehn Prozent strahlen sie hundertmal heller als ein normaler Fernsehbildschirm. Und das mit einem deutlich geringeren Materialeinsatz.

Baytron P® verlängert die Lebensdauer der LEDs und erhöht deren Effizienz, das heißt: mehr Licht bei gleicher Spannung. Für die Verarbeitung des Baytron P® stehen mehrere einfache Verfahren zur Verfügung. Besonders kreativ ist die neue Technologie des Ink-Jet-Drucks, mit der großflächige, mehrfarbige Displays wie mit einem Computerdrucker hergestellt werden können. In einer Forschungskooperation zwischen Bayer und der Firma CDT, Cambridge wird die Kommerzialisierung von organischen Leuchtdioden vorangetrieben; Bayer liefert die Polymere und CDT die dafür geeignete Technik.

Damit wird ein weiteres Kapitel geschrieben in dem faszinierendem Buch dieser neuen Kunststoffgeneration. Viele weitere werden noch folgen.

Die drei Entdecker der elektrisch leitenden Kunststoffe - Shirakawa, Mac Diarmid und Heeger – wurden im Jahr 2000 für ihre grundlegenden Forschungsarbeiten mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Wissenschaftliche Neugier war ihre Triebfeder. Austausch und Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen ihr Erfolgsrezept. Innovative Produkte für rasch wachsende Märkte war der Anreiz für die Industrie, das Wissen praktisch zu nutzen. Viel Zeit und Geld wurden und werden noch dafür aufgewandt. Dabei ist die Zusammenarbeit über Firmengrenzen hinweg eine wesentliche Voraussetzung, um das Wissen in marktfähige Produkte zu überführen.

Quelle: Pressemitteilung der Bayer AG vom 15.01.2001
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Letzte Änderungen: 14.01.2001